: Schrumpfende Zwillinge im Ländle
■ SEL und Zeiss verbindet mehr als rote Zahlen
Berlin (taz/dpa) – Den Elektronikkonzern SEL und den Optikhersteller Carl Zeiss verbindet weit mehr, als daß sie in Baden-Württemberg liegen, rote Zahlen schreiben und in den letzten Tagen einen massiven Personalabbau angekündigt haben. In beiden Fällen ist Jobst Herrmann für den Schrumpfkurs mitverantwortlich. Bei Zeiss haben die massiven Proteste ihn allerdings bereits vom Chefsessel gefegt. Bei SEL sitzt er noch im Aufsichtsrat.
Sowohl Zeiss als auch SEL leiden unter dem Rückgang öffentlicher Aufträge auch in der Wehrtechnik. Bei SEL schlagen sich zudem massiv die Bahn- und Postreform nieder: Nachdem Telekom und Bahn privatwirtschaftlich organisiert sind, beauftragen sie häufig den weltweit billigsten Anbieter.
In beiden Betrieben versucht der baden-württembergische Wirtschaftsminister Dieter Spöri Feuerwehr zu spielen und kündigt ein stärkeres öffentliches Engagement für den Erhalt der Standorte an. „Mit Händen und Füßen“ will er sich gegen eine Verlagerung von SEL-Zukunftstechnologien wie Mobilfunk und Navigationstechnik aus seinem Ländle wehren. Nicht nur Spöri hegt den Verdacht, daß die 1987 von ITT an den französischen Konzern Alcatel verkaufte SEL nach und nach zum reinen Handelshaus für die Mutterfirma degradiert werden soll. Mit derlei Operationen gibt es im Ländle schließlich schon Erfahrung: Der französische Elektronikkonzern Thomson-Brandt hat deutsche Hifi-Firmen wie Videocolor und Dual übernommen und deren Produkte weitergeführt – allerdings vorwiegend ohne die deutsche Belegschaft.
Schließlich verbindet SEL und Zeiss noch ein Name: Lothar Späth. Der Ex-Ministerpräsident stolperte über die großzügige SEL- Reisekasse und ging dann in den Osten. Dort führt er mit Jenoptik den Teil von Zeiss-Jena, den der Mutterbetrieb in Oberkochen nicht von der Treuhand haben wollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen