■ Das Portrait
: Sergio Cofferati

Noch am Vorabend des Generalstreiks vom 14. Oktober war er eine Art „Signor Nessuno“, ein Herr Niemand – Regierungschef Berlusconi machte, wenn er ihn zitierte, immer eine Art Denkpause, als wolle er ihm partout nicht einfallen, dieser Name. Inzwischen hat er ihn kennengelernt: Sergio Cofferati, seit vier Monaten Chef des mit drei Millionen Mitgliedern größten italienischen gewerkschaftlichen Dachverbandes CGIL, ist mittlerweile der Angstgegner der Regierung schlechthin.

Obwohl nicht im mindesten rhetorisch begabt und anfangs von den radikaleren Teilen der eigenen Gewerkschaft als Weichling verspottet, hat der Mann aus der Po- Ebene bei Cremona ein völlig unerwartetes Kunststück vollbracht: Zum ersten Mal, seit 1970 die Spaltung der drei Gewerkschafts-Verbände CGIL, CISL und UIL begonnen hatte, traten am 14. Oktober mehr als 15 Millionen Italiener in den Ausstand – und veranlaßten die Regierung Berlusconi zum unverzüglichen Einlenken.

Angstgegner der italienischen Regierung Foto: taz-Archiv

Dabei hat es Cofferati nicht leicht: Nicht nur, daß die einst von den Kommunisten beherrschte CGIL jahrzehntelang von den beiden anderen Verbänden (der katholischen CISL und der sozialistischen UIL) geschnitten wurde: er muß auch noch gegen die Schatten seiner charismatischen Vorgänger wie Luciano Lama oder Bruno Trentin ankämpfen.

Der 46jährige neue CGIL- Chef entspricht dagegen auch äußerlich seiner Selbsteinschätzung als „abgebrochener 68er“; Vollbart, aber gestutzt, mit einer Vorliebe sowohl für Schlager von Gunter Gabriel wie Klassisches von Verdi, lieber Comics konsumierend als Marx zitierend und doch im rechten Augenblick mit der entsprechenden Theorie zur Hand.

„Abgebrochen“ hat er die Teilnahme an der Studentenbewegung nicht wegen politischer Differenzen, sondern „weil ich leider arbeiten mußte, dann kam das erste Kind, und dann das Engagement bei der Gewerkschaft“.

Ein Moderater, zweifellos, der aber gerade deshalb die beiden konkurrierenden Verbände wieder an seine Seite brachte, und der vor allem vermittelt, daß „der Gegner nicht die andere Gewerkschaft, sondern die Regierung ist“. Das ermöglicht ihm denn auch sektoriale Zusammenarbeit mit Unternehmern, vor allem den Nachrückern vom Verband junger Industrieller. Und das macht Berlusconi wohl mehr Probleme als alles andere. Werner Raith