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Tütenweinlegenden

■ Heute live: Die neuen „Goldenen Zitronen“ im Bremer Wehrschloß

Die Zitronen in der Kesselhalle – das war Legende vor sieben Jahren, das war Pogo, Tütenwein und schlecht verträgliche Joints, und jenes stille Eckchen hinter den Tribunen, Geheimtip aller, denen schlecht war, war so gefüllt wie selten – Funpunk vom Feinsten eben.

Mit Funpunk ist definitv Schluß bei den Hamburgern, deren zehnjährige Bandgeschichte noch nie von Kontinuität geprägt war. Begonnen hatten die vier Hanseaten schon nah an diesem Sackgassen-Genre, allerdings mit Texten Über Mofagangs und Verwandte. Primär Alkoholbezogenes wie das Volker-Lechtenbrink-Cover „Ganz doll Schnaps“ blieb Mangelware und zudem nervte Ted Gaiers penetrant unverzerrte Schraddelgitarre – das war eher Rockabilliy als Punk. Das alles störte jene bierselige Fangemeinde wenig, denen sich die Zitronen in der Folgezeit durch bewußt peinlich Ausflüge in Aso-Metal zu entledigen versuchten. Ohne Erfolg. Vor allem das Talent zur gutplazierten Coverversion („Für immer Punk“ oder „Der Tag, als Thomas Anders starb“) machte die Zitronen gegen ihren Willen unsterblich.

Die Folge: Ratlosigkeit und Funkstille. Nun sind sie auch wieder da, allerdings nur zwei von vieren, Sänger Schorsch Kamerun und die alte Schraddelklampfe Geier. Die neuen Zitronen sind scheppernd, weniger offensichtlich Punk, und härter denn je; „Blumfeld“ ist nicht spurlos vorübergegangen, wie dem neuen Tonträger „Das bißchen Totschlag“ zu entnehmen ist. So kompromißlos anders waren die Zitronen selten. Die Gitarre ist noch übersteuerter, gemeiner geworden. Dazu tackern die Vier-Viertel-Rhythmen hektisch wie selten – eine verschrobene Dynamik, die mehr Punk ist als heute noch über „Bullenschweine“ zu singen. Die Linken sollen wieder tanzen. Und dazu nicht auf alte Klassiker warten. Lars Reppesgaard

Heute um 20 Uhr im Wehrschloß

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