: Nicht heulen, das ist unästhetisch
■ betr.: „Raus aus dem Pfarrgarten“ (Wider die Selbstbezogenheit ost deutscher Dissidenten), taz vom 10. 11. 94
Dieser Artikel kann doch wohl nur als Witz gemeint gewesen sein, so als Test, wie viele Briefe er provoziert. Durchaus gelungen, dies ist mein erster Brief an die taz.
Daran, daß die DDR-Bürgerrechtler für das Wahlverhalten der Ostdeutschen haften müssen, habe ich mich schon gewöhnt. Aber nun hat ein eitler Schnösel in drei Spalten die Klischees noch mal breitgewalzt: die Dissidenten sind also 40 Jahre alt, sie riechen miefig, kennen nur Hiob, aber nicht das Hohelied, sind auf keinen Fall so gebildet und lebensklug wie der Autor, haben eben einfach nichts verstanden. Und das schlimmste: sie sind häßlich.
Die peinlich altklugen Belehrungen und Lesetips richteten sich meistens an „man“. Dagegen weckten gleich zwei Ausfälle gegen Bärbel Bohley mein Interesse, ich wittere quälende Komplexe des Autors – vielleicht mal ein persönliches Gespräch mit der Gehaßten versuchen?
Fazit des Artikels: Also los, relaxed, ein bißchen lässig, farbig angezogen und den Regenkönig im Gepäck auf nach Sarajevo! Aber dort bitte nicht heulen, das ist unästhetisch. [...] Christiane Elsa Müller, Berlin
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