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■ In Bihać sind UNO und Nato in der ZuschauerrolleSchutzlos in der Schutzzone

Was muß noch alles passieren? Da steigen aus der UN-Schutzzone in Kroatien serbische Kampfmaschinen auf, um in Bosnien Bomben abzuwerfen – und der UN-Sicherheitsrat ringt sich gerade dazu durch, die Angreifer aufzufordern, doch bittesehr die Grenze zwischen den beiden Staaten zu respektieren. So geschehen am letzten Sonntag. Da beschießt serbische Artillerie von beiden Seiten der Grenze aus die UN- Schutzzone Bihać in Bosnien – und nichts passiert. Erst als am Dienstag nicht mehr nur gewöhnliche Bosnier, sondern auch Blauhelme unter Feuer gerieten, warnte die Nato immerhin mit einigen Tiefflügen vor weiteren Angriffen. Gestern nun schlugen mindestens zwei Granaten in den Präsidentenpalast im Zentrum von Sarajevo ein, abgefeuert aus einem Gebiet, das die UNO im Februar zur Sperrzone für die Stationierung schwerer Waffen erklärt hatte...

Mag sein, daß die Nato einige Stellungen der bosnischen Serben bei Sarajevo angreifen wird. Im Gebiet von Bihać, wo 300.000 Menschen, zum allergrößten Teil muslimische Bosniaken, unter ihnen 65.000 Flüchtlinge aus den umliegenden „ethnisch gesäuberten“ Gebieten, seit nunmehr zweieinhalb Jahren von serbischen Milizen belagert werden, wird wohl nichts geschehen. Zwar „erwägt“ die Nato Luftangriffe auf serbische Stellungen sogar in der zu Kroatien gehörenden Krajina. Doch bislang hat die Allianz auf dem Balkan immer nur im Auftrag der UNO gehandelt. Anders als in Sarajevo und Goražde gibt es in der Schutzzone Bihać aber keine Sperrzone für schwere Waffen. Die UN-Truppen dürfen nur ihre eigenen Leute verteidigen. Ein Nato-Einsatz zum Schutz der Zivilbevölkerung würde in jedem Fall eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrates erfordern. Die aber ist vorerst kaum zu haben.

Aus innenpolitischen Gründen, um die republikanische Mehrheit im Kongreß von weitergehenden Forderungen nach einer Aufhebung des Waffenembargos abzuhalten, hat die US-Regierung sich von der Überwachung der adriatischen Küste zurückgezogen. Dieser militärisch bedeutungslose, politisch aber um so bedeutsamere Alleingang wurde in Sarajevo zu früh gefeiert. Er bricht nämlich den Konsens innerhalb der Nato auf und verprellt zudem die russische Seite, die sich nun noch deutlicher auf die Seite der Serben schlagen wird, was ihr innenpolitisch ohnehin nur Punkte bringen kann. Damit aber könnte auch das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Eine gemeinsame Politik der ständigen Mitglieder des UN- Sicherheitsrates, um den „Friedensplan“, der allein von der serbischen Seite abgelehnt wird, durchzusetzen, ist in weite Ferne gerückt. Die bosnische Regierung, die inzwischen aus den USA klandestin waffentechnische und logistische Unterstützung erhält, ist nicht imstande, eine militärische Wende herbeizuführen. Für den dritten Kriegswinter zeichnen sich somit düstere Perspektiven ab. Ob die humanitäre Hilfe bei den Notleidenden in Bihać und anderswo ankommt, wird weiterhin allein von den serbischen Kriegsherren abhängen. Thomas Schmid

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