: Flughafen in der Provinz
Brandenburgs Umweltminister empfiehlt, daß Berlinbesucher in dörflicher Umgebung landen ■ Von Hannes Koch
Potsdam (taz) – Der neue Großflughafen für die Bundeshauptstadt Berlin soll tief in der brandenburgischen Provinz entstehen. Die entsprechende „landesplanerische Stellungnahme“ gab Brandenburgs Minister für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung, Matthias Platzeck, gestern in Potsdam ab. Die beiden Standorte bei den Kleinstädten Sperenberg und Jüterbog, die der parteilose Minister für geeignet hält, liegen 46 und 58 Kilometer südlich Berlins und wurden bis vor kurzem von der Sowjetarmee genutzt. Trotz landschaftfressender Straßenbauten und großräumiger Naturzerstörungen erhalten sie den Vorzug vor dem dritten begutachteten Standort in der Nachbarschaft des bereits existierenden Berliner Flughafens Schönefeld.
Das Umweltministerium mußte im Raumordnungsverfahren über einen Antrag der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF) entscheiden. Die Gesellschaft will ihre Berliner Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld schließen. Das neue internationale Luftkreuz soll dann Frankfurt/Main und München Konkurrenz machen. Bis zu 60 Millionen Passagiere pro Jahr sind eingeplant, etwa doppelt so viele wie heute in Frankfurt abgefertigt werden.
Bündnis 90/ Die Grünen in Berlin und Brandenburg bezweifeln diese Prognosen. Der Mammut- Airport sei schon deshalb überflüssig, weil mittelfristig 60 Prozent der Flüge durch die schnellen ICE der Deutschen Bahn ersetzt würden. Auch Umweltminister Platzeck erwartet höchstens 30 Millionen Fluggäste im Berlinverkehr, weshalb er der BBF jeweils eine von vier geplanten Start- und Landebahnen gestrichen hat.
Nichtsdestotrotz hält Platzeck das Projekt für richtig, weil durch die Schließung der Berliner Flugplätze die Belastungen der Bevölkerung verringert würden. Das „Schutzgut Mensch“ gab denn auch den Ausschlag für die dünner besiedelten Gebiete in der brandenburgischen Landschaft. Im Umkreis von Schönefeld seien mindestens 30.000 Menschen vom Fluglärm betroffen, etwa 1.000 müßten von dem knapp 3.000 Hektar großen Areal umgesiedelt werden. In Sperenberg stünden 190 Umsiedlungen an, in Jüterbog keine.
Umweltgesichtspunkte spielen in der Ministeriumsbewertung deshalb eine geringere Rolle. Im Falle Sperenberg würden 22 Millionen Bäume der Kettensäge zum Opfer fallen, Grundwasser-Gewinnungsgebiete geschädigt und mehrere Naturschutzgebiete betoniert. Wegen der großen Entfernung nach Berlin und Potsdam sollen 140 Kilometer Straße neu oder ausgebaut werden, nach Jüterbog immerhin 131 Kilometer.
Die rechtlich kaum bindenden Empfehlungen des Umweltministers bilden jetzt eine Grundlage für das Planfeststellungsverfahren Anfang nächsten Jahres, bei dem die BBF grundsätzlich auch Schönefeld beantragen kann.
BBF-Aufsichtsrat-Vorsitzender Olaf Henkel will den stadtnahen Standort auch weiterhin prüfen, denn dort wäre der Bau wesentlich billiger.
Eine Vorentscheidung stellt der Raumordnungsbeschluß aber trotzdem dar, denn das Planfeststellungsverfahren wird wiederum die brandenburgische Landesregierung durchführen. Und die möchte möglichst viele Arbeitsplätze und Investitions-Milliarden in ihre strukturschwachen Gebiete holen. Hannes Koch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen