Psychodrama Statt Partei

■ Aber: Das kann doch unsern Henning nicht erschüttern / Wegner bleibt der Statt Partei erhalten – und auch sonst ist wenig passiert Von Uli Exner

Es waren die Worte des Wochenendes, vorgetragen als Solo, Duett oder auch Kanon, von so ziemlich jedem Mitglied der rotgrauen Koalitionsparteien: „Die Kooperation bleibt bestehen!“ Oder auch: „Die Regierungsarbeit ist nicht berührt!“ Oder: „Wir stehen inhaltlich voll zur Kooperationsvereinbarung!“ Besser noch: „Das hat nichts mit der Politik in Hamburg zu tun.“ Und, juchhee: „Jetzt geht's erst richtig los“. Alles prima, alles bestens. War was?

Kleinigkeit nur: Die Statt Partei Fraktion hatte am Freitagabend überraschend ihren Chef in die Wüste geschickt (Siehe auch Seite 4). Markus Wegner heißt der Mann und war bisher der Reihe nach: Symbolfigur der Politikverdrossenheit, Gründer der Statt Partei, Wahlsieger, Fraktionschef, rotgrauer Regierungsschmied, bekannt auch unter dem Beinamen „Voscheraus Zwilling“ oder, weniger liebevoll, „Kotzbrocken“.

Letzteren Eindruck müssen vor allem jene sechs Statt-Abgeordneten gewonnen haben, die mit Wegner in der Bürgerschaft sitzen. Unappetitliche Details dieser „Zusammenarbeit“ ersparten die Parlamentarier gestern der Öffentlichkeit. Wer dem neuen Fraktionschef Achim Reichert und seinen Mitstreitern allerdings zuhörte, der bekam den Eindruck, daß sich hinter den geschlossenen Fraktionstüren in den vergangenen Monaten wahre Psychodramen abgespielt haben müssen. So weit habe es Markus Wegner getrieben, daß einige Abgeordnete nicht nur ihre Identität als unabhängige Abgeordnete sondern auch ihre Gesundheit gefährdet sahen.

Wovon Rumpelstilzchen persönlich allerdings nicht viel gemerkt hat. Markus Wegner berichtete gestern zwar, daß er bereits im April nach internen Auseinandersetzungen in der Fraktion einmal seinen Rücktritt angeboten habe. Damals aber hätten ihn die Kollegen zum Weitermachen aufgefordert. Die Sitzung am Freitag ... Kopfschütteln beim Parteigründer.

Und – vorläufig nur angedeutet – die Vermutung, daß hinter seinem Sturz nicht nur persönliche Antipathie, sondern auch politisches Kalkül, möglicherweise Geltungssucht anderer, ein Komplott des wegnerfeindlichen Parteivorstands, Minderwertigkeitskomplexe undsoweiter stecken. Bei soviel Mißtrauen war es schon ein wenig verwunderlich, daß der sonst durchaus zu spontanen Handlungen neigende Ex-Fraktionschef sich gestern noch nicht dazu durchringen konnte, Partei und Fraktion zu verlassen. Statt dessen kündigte Wegner seinen vorläufigen Rückzug in die zweite Reihe an. Er bleibe Abgeordneter und Mitglied und wolle sich zunächst eine Weile anschauen, „was die anderen so machen“.

Eine kurze Weile dürfte das werden. Vermutet zumindest der bisherige stellvertretende Fraktionschef Dieter Obermeier, der am Freitag gemeinsam mit dem Stubenältesten der Bürgerschaft, Klaus Scheelhase, versucht hatte, die vierköpfige Fraktionsmehrheit vom stattparteilichen Vatermord abzuhalten. Seine Befürchtung: Die Entmachtung Wegners werde außer Negativschlagzeilen und internem Gemetzel nichts bringen. Noch schlimmer: Die Bürger könnten übersehen, daß „wir in dieser Stadt etwas bewegt haben“, daß „wir sehr wichtig sind in Hamburg.“ Oja, das könnte passieren.

Der Opposition, logo, geht das schon lange so. CDU-Fraktionschef Ole von Beust sieht „eine Periode bedenklicher politischer Instabilität“ heranziehen. GALierin Krista Sager betrachtet genüßlich „die Absurdität der Kooperation“.

Bleibt der Bürgermeister, der gestern abend – spät, aber immerhin – seine Sicht der Dinge verkünden ließ: Er sei davon überzeugt, „daß die rotgraue Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt und ihrer Bürger fortgesetzt wird.“

War was?