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Kein Blick für Kinkel auf den Schloßplatz

■ Neue Pläne des Architekten Bernd Niebuhr sehen vor, das Staatsratsgebäude zu erhalten / Kinkel fordert weiter Abriß

Es gibt eine gemeinsame Zukunft für das geplante Außenministerium und das vom Abriß bedrohte Staatsratsgebäude auf der Spreeinsel. Nach den neuen Vorschlägen des Architekten Bernd Niebuhr, der in seinem Wettbewerbsentwurf vom Mai 1994 noch von der vollständigen Beseitigung der sozialistischen Regierungsbauten im historischen Zentrum Berlins ausging, könnte das Staatsratsgebäude erhalten werden. Es sei „durchaus vorstellbar, hinter dem Kopfbau des Staatsrats die Bauten des Auswärtigen Amtes zu errichten“, sagte Engelbert Lütke-Daldrup, Hauptstadtreferent in der Bauverwaltung, in der vergangenen Woche bei einer Diskussionsrunde zur Stadt-, Regional- und Landschaftsplanung (SRL), auf der zwei der insgesamt sechs Niebuhr-Varianten gezeigt wurden. Die Niebuhr-Pläne sehen vor, den Glasriegel aus den sechziger Jahren mit seinem barocken Portal zu bewahren. Die Anbauten südlich des repräsentativen Kopfbaus dagegen fallen der Abrißbirne zum Opfer. Auf der heute noch eingezäunten Freifläche hinter dem Staatsrat sollen U-förmige Bürobauten entstehen, deren Höfe von der verlängerten Brüderstraße durchschnitten werden. In diesen Neubauten ist gepant, einen Großteil der geforderten 20.000 Quadratmeter Nutzfläche unterzubringen. An der Rückseite des Staatsrats teilt Niebuhr die Brüderstraße. Sie läuft über die Breite Straße und entlang der Spree um den Bau herum. In seinem Wettbewerbsentwurf hatte Niebuhr die Brüderstraße noch bis zum „Schloßplatz“ durchgezogen. Dieser „historischen“ Achse sollte der Staatsrat zum Opfer fallen.

Der Block zwischen der Scharrenstraße und der Neumanngasse, auf dem derzeit Bauten des Bauminsteriums stehen, könnte zu einem späteren Zeitpunkt ausgebaut werden und weiteren Büros des Außenministeriums Raum geben. Lütke-Daldrup pädierte dafür, darauf zu achten, daß die Architekturen und der öffentliche Raum „keine abgeschotteten Bereiche“ bildeten. Niebuhr war vorgehalten worden, daß seine Rekonstruktionspläne für die Spreeinsel keine wirklich nutzbaren öffentlichen Räume berücksichtigten. Gerade die umstrittene Brüderstraße wäre aufgrund der Sicherheitsanforderungen nur zu einer für die Öffentlichkeit unzugänglichen „Blickachse“ geworden, so der Soziologe Harald Bodenschatz.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz hatte den Architekten im Oktober aufgefordert, Pläne zur Neubebauung der Spreeinsel zu entwickeln, die einen Erhalt des Staatsrats vorsahen. Dem vorausgegangen war die Initiative von Stadtplanern, das denkmalgeschützte Gebäude vor dem Abriß zu retten. Außerdem hatte der Senat im Spätsommer beschlossen, den Staatsrat bis zum zweiten Bauabschnitt des Außenamts nicht anzutasten. Auch der Haushaltsausschuß des Bundestages signalisierte mit seiner Forderung, nur Gelder für 20.000 Quadratmeter neue Außenamts-Nutzfläche zur Verfügung zu stellen, die Abrißdebatte zu vertagen.

Dessen ungeachtet – oder gerade darum – fordert Außenminister Klaus Kinkel weiter den Abriß des Staatsratsgebäudes. Kinkel bestehe auf einem Büro mit Blick auf den gerade umgetauften „Schloßplatz“, erklärte am Wochenende ein Beamter des Außenministeriums. Es gehe nicht an, daß der Außenminister im Hinterhof des Staatsrats residieren müsse. Die nachhaltige Weigerung Berlins, das Relikt des sozialistischen Städteabaus abzutragen, werde in Bonn, so die Drohung, gar als Umzugshemmer interpretiert. Da wollen wohl einige den Umzug nicht wahrhaben. Rolf Lautenschläger

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