: Kohls Organ ohne Heyms Worte
Das „Bulletin“ der Bundesregierung will die Rede des Alterspräsidenten Stefan Heym nicht abdrucken / Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch will den Vorgang im Präsidium erörtern ■ Von Dieter Rulff
Berlin (taz) – „Altem und gutem Brauch entspricht es“, nach den Worten von Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch (FDP), „daß die Reden des Alterspräsidenten auch durch die Bundesregierung veröffentlicht werden.“ Doch mit diesem gutem Brauchtum hat die Bundesregierung nun gebrochen. Denn der jetzige Alterspräsident des Bundestages, Stefan Heym, habe, so Regierungssprecher Dieter Vogel, „als Vertreter der PDS gesprochen“. Heyms Rede findet sich folglich nicht im Bulletin der Bundesregierung wieder.
Dafür würdigt das Regierungsorgan in seiner Ausgabe vom 14. November ausführlich die Begrüßung der Abgeordneten durch Landesbischof Klaus Engelhard beim Gottesdienst im Berliner Dom vor der konstituierenden Sitzung ebenso wie die Predigt von Bischof Karl Lehmann und die Ansprache von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth nach ihrer Wiederwahl. Heym kommt dagegen lediglich als derjenige vor, der das Ergebnis der Wahl Süssmuths bekanntgibt.
Vogel, von dem das Bulletin herausgegeben wird, hatte die Veröffentlichung untersagt. Der Regierungssprecher, der keiner Partei angehört, aber der FDP nahesteht, erklärte gestern, seine Entscheidung wende sich nicht gegen die „Person Heym“. Er sehe aber nicht ein, warum er in einer Publikation der Bundesregierung der PDS eine Plattform bieten solle. Alterspräsident Heym habe als Vertreter der PDS gesprochen.
Heym stehe, so präzisierte die zuständige Redakteurin des Bulletin, Monika Dellmann, die Vorbehalte, im Zwielicht, nicht nur wegen der gegen ihn erhobenen Stasi- Vorwürfe, sondern wegen seines Verhältnisses zum SED-Regime. Dellmann weiß sich mit ihrer Kritik in guter Gesellschaft, habe doch vorgestern erst Wolf Biermann Heym als „aufsässigen Feigling“ „schamlos auf dem Schoß des Spitzels Gysi“ plaziert.
Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch hat die Weigerung kritisiert, die Rede Heyms im regierungsamtlichen Bulletin abzudrucken. Hirsch nannte dies „bedauerlich und nicht einzusehen“. Er werde den Vorgang im Bundestagspräsidium zur Sprache bringen.
Hirsch appellierte an das Presse- und Informationsamt, seinen Schritt zu überdenken. Im übrigen komme der Rede Heyms, der als Kandidat der PDS in den Bundestag gewählt worden war, durch die Weigerung eine Bedeutung zu, die durch ihren Inhalt in keiner Weise gerechtfertigt sei.
Die PDS kündigte gestern an, sie werde eine kleine Anfrage stellen, weil die Regierung offizielle Einrichtungen „für parteitaktische Zwecke“ nutze. Dieser Vorwurf wird von Dellmann heftig zurückgewiesen. Das Bulletin, das in einer Auflage von 21.000 Stück vor allem an Ministerien, Behörden und Botschaften verteilt wird, sei „das offizielle Organ der Bundesregierung“ und „nicht das Verlautbarungsorgan des Parlaments“. Allerdings, so räumte sie ein, seien die Reden der Alterspräsidenten seit 1969 gedruckt worden.
Für Bündnis 90/Die Grünen erklärte Gerd Poppe, es sei „eine Selbstverständlichkeit“, die Rede Heyms zu veröffentlichen, auch wenn man „mit vielen seiner Äußerungen zur DDR-Vergangenheit nicht einverstanden ist“. Die SPD-Fraktion hingegen wollte keine Stellungnahme zu dem Vorgang abgeben.
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