: Nur für Freunde etwas mitgenommen
Die beiden Deutschen, die in der Türkei als angebliche „PKK-Kuriere“ festgenommen wurden, wußten nach eigenen Angaben von nichts / Ihnen drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren
Seit Anfang der Woche sitzt Andreas Landwehr in Untersuchungshaft in Istanbul. Die anderen Häftlinge hätten sich für Andreas, der ebensowenig Türkisch sprechen kann wie seine Freundin Karen Braun, sehr interessiert, weiß Karen zu berichten, nachdem sie Andreas hat besuchen können. Schließlich stehen die beiden seit über einer Woche im Rampenlicht, waren im türkischen Fernsehen zu sehen, und die Zeitungen veröffentlichten ihre Fotos. „Deutsches Terroristenpaar gefaßt“, „Deutsche Kuriere der PKK schleusten Satellitentelefon ein“, hieß es.
Karen erzählt die Geschichte mit unverblümter Naivität. In einer Bonner Flüchtlingsinitiative lernten Andreas und Karen L. kennen, einen Kurden aus der Türkei. Als sie L. von einem geplanten Urlaub in der Türkei erzählten, bat er sie darum, „für Freunde“ etwas mitzunehmen. In ihrem 81er Mercedes Diesel nahmen Andreas und Karen ein Satellitentelefon mit, das sie an eine Istanbuler Adresse überbrachten. Dort wurde wieder um einen Gefallen gebeten. Cassetten sollten aus der Türkei nach Deutschland gebracht werden. „Wir wußten nicht, ob kurdische Musik verboten ist. Deshalb haben wir die Cassetten hinter der Türverkleidung versteckt.“ Bei ihrer Festnahme am türkisch-bulgarischen Grenzübergang Kapikule wurde das Auto gefilzt. 33 Video- und 9 Audiocassetten wurden beschlagnahmt. Die Cassetten enthielten Propagandamaterial der illegalen kurdischen Guerillaorganisation PKK (Arbeiterpartei Kurdistans), behauptet die türkische Polizei.
Montag dieser Woche wurden die Verhafteten zur Vernehmung zum Staatssicherheitsgericht Istanbul gebracht. Während Karen auf freien Fuß gesetzt wurde, verhängte der Richter Untersuchungshaft gegen Andreas. Wahrscheinlich wird es zu einer Anklageerhebung nach Paragraph 169 des Strafgesetzbuches kommen: „Unterstützung einer bewaffneten Bande“. Damit drohen den beiden zwischen drei und fünf Jahre Gefängnis.
Solidarität und Unverständnis in Bonn
Bonn (taz) – 300 Menschen versammelten sich letzten Freitag auf einer Spontankundgebung des Bonner Asta für Andreas Landwehr und Karen Braun vor dem Auswärtigen Amt. Ein „Freundeskreis für die Freilassung von Andi und Karen“, rund 50 Personen, scheiterte am Dienstag bei dem Versuch, der türkischen Botschaft eine entsprechende Petition zu überreichen.
In Bonn sind Karen Braun und Andreas Landwehr seit Jahren politisch aktiv und bekannt: Der Maurer Landwehr engagiert sich in der Bonner Arbeitslosen-Initiative, bis vor wenigen Monaten war er organisiert in der Antifa Bonn/Rhein-Sieg. Die Chemiedoktorandin Karen Braun hilft Flüchtlingen: Mit der Antirassistischen Gruppe in Bonn (AGIB) bewachte sie Flüchtlingsheime, beteiligte sich an der Einrichtung eines Notruftelefons und arbeitet im Referat für kritische Wissenschaften des Bonner Asta. An der Uni geriet ihre Verhaftung denn auch zum Spielball im Hochschul-Hickhack: Der CDU-nahe RCDS sah gleich den gesamten Asta „Seite an Seite mit kurdischen Terroristen“ – was das StudentInnenparlament prompt verurteilte.
Doch in Bonn herrscht nicht nur Solidarität, sondern auch Rätselraten über das „ultradumme und eigenbrötlerische“ Verhalten der beiden Deutschen, die mal eben mit einem Satellitentelefon in die Türkei fahren. Gleichwohl überwiegt die Sorge: „Solange die beiden im Knast sind“, meint Jan Schulze-Husmann vom Asta, „mache ich mir nur Gedanken, wie die da möglichst bald wieder rauskommen. Bernd Neubacher
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