: Schwarz-grünes Bündnis
■ CDU und Bündnis 90/Grüne wollen den neuen Standort für das Tempodrom auf dem Anhalter Bahnhof verhindern
Für das Tempodrom schwinden die Chancen, in zwei Jahren einen neuen Standort auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Bahnhofs zu beziehen. Bis 1996 muß das Festzelt seinen jetzigen Standort im Tiergarten wegen des Umzugs von Regierung und Parlament räumen. Sowohl Bündnis 90/Die Grünen als auch die CDU wollen sich am kommenden Mittwoch in der Kreuzberger Bezirksverordnetenversammlung (BVV) den Plänen der SPD für einen Neubau an dieser Stelle widersetzen.
Statt dessen möchte die schwarz-grüne Front die rund 60.000 Quadratmeter große Grünfläche in Gänze erhalten. „Wir gehen davon aus, daß der SPD- Antrag nicht durchkommt“, gibt sich der Fraktionssprecher der Grünen, Franz Schulz, zuversichtlich. Beide Parteien kommen in der BVV auf eine satte Mehrheit. Die ohnehin wenigen Grünflächen im Bezirk dürften nicht weiter reduziert werden, begründet Schulz die Ablehnung seiner Partei. Der stellvertretende CDU-Fraktionschef Alexander Gühloff hat wie Schulz nichts gegen das Tempodrom an sich. Aber angesichts der in einigen Jahren zugebauten Flächen am Potsdamer und Leipziger Platz brauche die Innenstadt „jedes Fleckchen grün“. Man müsse daher mit dem Anhalter Bahnhof „sensibel umgehen“.
Erst am Dienstag dieser Woche hatte sich das Bezirksamt mit knapper Mehrheit der sozialdemokratischen Stadträte für den Standort auf dem ehemaligen Personenbahnhof, von dem nur noch die Ruine des Eingangsportals steht, ausgesprochen. Allen voran Kreuzbergs Bürgermeister Peter Strieder (SPD) hatte sich dafür stark gemacht.
Bei einem Neubau würden rund 6.000 Quadratmeter beansprucht werden, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Hermann Minz. Der Sportplatz bliebe durch das geplante Kulturzentrum unberührt, wiegelt er die Ängste vor einem möglichen Funktionsverlust ab. Allerdings müßte bei einer Realisierung ein Teil der Hochfläche beseitigt werden. Das von Büschen und Bäumen überwucherte Terrain zählt nach Ansicht der Grünen zu einem der wenigen verbliebenen Stadtbiotope, nachdem der ehemalige Anhalter-Güterbahnhof auf der anderen Seite des Landwehrkanals als Logistikzentrum dem Bauvorhaben Potsdamer Platz zum Opfer fiel. Im Falle eines Neubaus müßte rund ein Drittel der Hochfläche beseitigt werden, meint Schulz.
Gühloff wirft Strieder vor, eigenmächtig vorgeprescht zu sein. Bisher sei es Konsens im Bezirk gewesen, den Anhalter Bahnhof nicht anzutasten. „Das ist wieder mal ein Renommierstück gewesen, um in die Presse zu kommen“, glaubt der Kommunalpolitiker.
Für den Bau des 3.000 Plätze fassenden Tempodroms liegen bereits detaillierte Pläne der Architektin Jutta Kalepky vor. Vorgesehen ist ein Gebäude, das sich an ökologischen Standards orientiert. In einem eigenen Antrag fordern die Grünen das Bezirksamt nun auf, ein Gelände im Kreuzungsdreeick der S1, S2 und der Yorckbrücken „vorrangig zu prüfen“. Ein Vorschlag, der kaum realisierbar scheint, da bereits die Tempodrom-Betreiberin Irene Moessinger sich gegen den ihrer Ansicht nach unattraktiven Standort aussprach. Das der Deutschen Bahn gehörende Gelände müßte zunächst einmal erworben werden. Geschätzte Kosten: rund 20 Millionen Mark.
Schulz räumte gegenüber der taz ein, daß der Antrag nicht von allen Mitgliedern seiner Fraktion geteilt wird. Er selbst halte den Schlesischen Busch in Treptow für einen weitaus geeigneteren Standort. Das Gelände auf dem ehemaligen Mauerstreifen, nur rund 300 Meter vom Nachbarbezirk Kreuzberg entfernt, war erst kürzlich durch den Ostberliner Bezirk den Betreibern angeboten worden. Nach Lage der Dinge der aussichtsreichste Standort für das Öko-Tempodrom, zumal die dortige BVV dem Projekt am vergangenen Mittwoch ihren Segen erteilt hat. Severin Weiland
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