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Macht den verdammten Abwasch!

Es gibt sie überall in Australien: die Backpacker-Hostels. Eine günstige, wenn auch nicht immer die anspruchsvollste Alternative für Langzeitreisende  ■ Von Frank M. Ziegler

Es wird immer ein Geheimnis bleiben, ob das Licht im Kühlschrank ausgeht, wenn man die Tür schließt. Falls es anbleibt, feiern die Kakerlaken vermutlich Partys im Gefrierfach und organisieren Podiumsdiskussionen zwischen „Uncle Toby's muesli flakes“, die fatal nach Wellpappe schmecken, und diesem australischen Instant-Kaffeepulver, das den deutschen Konsumenten nachts wehmütig vom guten alten „Verwöhnaroma“ träumen läßt. Rucksackreisende bewahren seltsame Dinge in den Gemeinschaftskühlschränken Australiens auf. Überhaupt sind Rucksackreisende eine seltsame Spezies: Sie kommen aus Schweden, England, Kanada, Japan und Darmstadt-Eberstadt, haben unverschämt lange Urlaub, boykottieren teure Hotels, haben die Hautfarbe von Marsriegeln und treffen sich alle in australischen Jugendherbergen, die eigentlich gar keine sind, sondern privat geführte „Backpacker-Hostels“. Richtige Jugendherbergen (youth hostels), in denen auch der deutsche Jugendherbergsausweis gültig ist, gibt es natürlich auch. Aber sie sind dünn gesät und unterscheiden sich von den Backpacker-Hostels (Rucksackträger- Hotels) nur durch die Zugehörigkeit zum Herbergsverband. Im Preis (umgerechnet etwa 10 bis 18 Mark) liegen sie sogar oft über den Backpacker-Hostels (BHs).

Es gibt sie überall in Australien, wo eine Stadt mehr als 20.000 Einwohner hat, und in ihren Küchen lauern stets schmuddelige Gigant- Kühlschränke auf die Erdnußbutter und das „Bitter“-Bier der Alternativreisenden. Und natürlich Kakerlaken. Aber vor denen ist selbst die sauberste Küche down under nicht gefeit. Das mit der Sauberkeit ist ohnehin so eine Sache. Wer gerade heldenhaft den Ayers Rock bezwungen hat, sich von Sydneys Nachtleben erholen muß oder gleich am Great Barrier Riff persönliche Bestzeit schnorcheln will, übersieht die netten Hinweisschilder der Hausherren gerne: „Do your dammed dishes!“ (Macht euren verdammten Abwasch!) heißt es da im „Ritz“ von Perth. Oder im Adelaide „Plaza“: „If you are too lazy to clean your own mess – don't cook!“ (Wenn ihr zu faul seid, euren eigenen Dreck wegzuputzen, dann kocht eben nicht!) Je größer die Stadt, desto mehr Backpacker- Hostels, und was „Ritz“ heißt, muß noch lange kein Ritz sein! Es gibt BHs mit Swimmingpool, sauberen Viererzimmern und Terrasse mit Panoramablick, und es gibt welche, wo man die Existenz von Putzmitteln noch immer für eine Finte der Aborigines hält, um sich für die Landenteignung von 1830 zu rächen. So oder so: Wer den fünften Kontinent mit überfülltem Rucksack und gnadenlos leeren Taschen überrollen will, der kommt um die BHs kaum herum. Und so hat sich denn auch schon eine bemerkenswert durchorganisierte BH-Subkultur entwickelt: an allen Busbahnhöfen, an allen Flughäfen, in allen städtischen Informationsbüros gibt es kostenlos die Magazine For Backpackers by Backpackers, an denen der Reisende bei Interesse sogar selbst mitarbeiten kann. Für jeden Staat gibt es ein eigenes Magazin, und sie sind vollgepackt mit Infos, Karten und Adressen rund um die BHs. Sowohl die Magazine als auch die Betten in den BHs sind begehrt! Nicht nur bei Jugendlichen, auch bei 30- bis 50jährigen. Grundsätzlich gilt: Je später der Tag, desto geringer die Aussichten auf ein Kissen unterm müden Haupt. Also möglichst früh auf der Matte stehen? Nö! „Ausgecheckt“ wird so zwischen neun und zehn Uhr, und um diesen Dreh stehen die Chancen auf freie Betten am besten. Früher zu erscheinen hat meist gar keinen Zweck. Wer sein eigenes Bettuch mitbringt, kann Geld sparen. Die meisten BHs bieten übrigens einen „free pick-up service“ und holen die Rucksackträger kostenlos am Bahnhof oder im Stadtzentrum ab. Viele Hostels helfen auch dabei, einen Job zu finden, organisieren Billigausflüge in die Umgebung und stehen bei der weiteren Reiseplanung zur Verfügung. In den Schlafräumen stehen zwischen vier und zwölf Betten, und von Geschlechtertrennung hat man meist noch nie etwas gehört. Für die ganz Verliebten gibt es gegen Aufpreis auch fast überall kleine Doppelzimmer. Ein Tip noch zum Schluß: Wer länger in einer Stadt bleibt und sein lappiges Aussi-Toastbrot im Kühlschrank nicht mit Kakerlaken teilen möchte, der sollte beim „Einchecken“ unbedingt nur für eine Nacht bezahlen (auch wenn's bei mehreren Übernachtungen Rabatt gibt). Dann Zimmer, Waschräume und Küche inspizieren – und wenn das „Ritz“ den Ansprüchen nicht genügt, einfach in Ruhe und ohne Gepäck die anderen BHs der Stadt abklappern und im schönsten das Bett für die nächste Nacht mit Anzahlung vorbestellen.

Ach ja: Von Deutschland aus sind Backpacker-Hostels nicht zu buchen. Wär' ja auch noch schöner, 'n bißchen alternativ soll's ja schon noch sein. Sonst geht da ja total das dufte Feeling von Freiheit und Abenteuer flöten; und das wär' schon ganz schön uncool, du.

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