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Weicheier und Karrierehechler

■ Pago & Koch in der Schauburg: dolles Maskenkabarett für alle Nichtzuendegeborenen / Garantiert: Qualitätslachen

Zwischendurch packt einen die Angst: daß Vogelmann und Meckie ihre Masken abnehmen könnten und man die Menschengesichter sehen müßte. Zu schön ist, sich in eine Maske zu verlieben. Und so einfach. Am Freitag und Samstag zeigten Pago & Koch in der Schauburg noch einmal ihr erfolgreiches Maskenkabarettstück „Fabula Rasa“. Die Schauburg war nicht voll, aber voller Verliebter.

Der Hausmeister kommt. Eine gelbgesichtige Person, sehr zart, leicht mondsüchtig, wie jeder Hausmeister am Leben leidend, also auch latent vorwurfsvoll. Er steckt einen Stecker in die Dose, macht einen Kurzschluß, alles wird dunkel, und dann kurbelt er diesen Mond hoch. Diesen Mond. Der so wunderschön ist und das beweglichste Gesicht unter all den Masken hat. Er ist aus Wackelgummi.

Es geht um Mannsbilder. Nicht die differenziert betrachtete Persönlichkeit in der Ambivalenz ihrer multifaktoriellen Sozialisation. Sondern um: das Weichei; den Triebhaften; den verlassenen Verlasser; den Nichtabgenabelten; den Karrierehechler. In kleinen Sketchen quieken und sabbeln und röcheln Charaktere über die Bühne, gehen ein bißchen miteinander um und verlieren sich wieder. Keiner wird verändert, keiner entwickelt sich, wie sich ja auch keine Miene verzieht. Das ist eine einfache Welt, in der man einfach lachen kann, weil man vieles so gut kennt. Aber so doll doch nicht!

Die grotesken Masken von Pago & Koch rauben uns immer wieder den Atem. Sie sind unglaublich. Dann möchte man das Spiel anhalten, weil man nicht zum Sattsehen kommt. Dabei ist es ganz leicht, überhaupt nicht zu merken, daß es den Kleinkünstlern womöglich auch um etwas geht. Wenn der harmlose Straßenmusiker (Hit: „Deine Pfirsichhaut“) (wirklich ein Hit) einem Manager im Training zu den ersten Fünfmark verhilft, um danach vom Kapital aufgekauft zu werden droht. (Er widersteht.) Oder wenn sich eine Aufgedonnerte von ihrem Kerl losstrampelt und befreit, daß befreites Lachen aus Zuschauerinnenmündern kommt. Es geht um tiefe Gefühle, enttäuschte Männerfreundschaft, Einsamkeit. Das muß wie gesagt gar nicht auffallen. Das kann man als Hintergrundstimmung mitnehmen, während im Vordergrund gelacht wird. Ein schönes Lachen.

Sind nun auch wirklich gute Spieler. Gute Spieler erkennt man daran, daß man merkt, sie zeigen uns nur ein bißchen von dem, was sie wirklich können. Wenn Pago Balke zum Beispiel die Steeldrum schlägt, ahnt man, was er noch alles schlagen kann. Oder Walter Koch als gelbes, hängebackiges Muttersöhnchen am öffentlichen Fernsprecher: Das wimmert und fiept in den Hörer, daß den Zuschauern die Tränen über die Backen kullern; und am Ende sucht das Nichtzuendegeborene tatsächlich mit einer ganz kleinen Geste nach Restgeld im Rückgabefach. Profis halt.

Ein merkwürdiges Spiel ist es mit den Halbmasken. Die Ganzmasken sind rund und fest und manchmal wie 3D-Bilder von George Grosz; die Halbmasken dagegen irritieren, weil sie auch leben. Sie sind uns näher und taugen zu tieferen Nummern, wo es dann auch mal leiser wird. Man kann aber sicher sein, daß gleich wieder Vogelmann auf die Bühne gezuckt kommt, sich immerfort witternd umsieht und zwischen Bühnengröße und piepsigem Elend taumelt.

Zum Schluß verzeiht man ihnen sogar ihre wahren (?) Gesichter. Pago & Koch danken ihrerseits: Georg Kreisler, Wilhelm Busch und Tom Waits. Sie vergessen, die Patienten und Ex-Patienten zu erwähnen, die im Blaumeier-Atelier für Kunst und Psychiatrie ein- und ausgehen, wo Koch & Co. ihre Masken gebaut haben. Und denen haben Koch & Pago einige Bewegungen und Sprechweisen zu verdanken. Burkhard Straßmann

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