: Wie Iran-Flüchtlinge behandelt werden
■ Ausländeramt verweigert trotz Abschiebestop für Iran-Flüchtlinge den Duldungs-Stempel / Behnam Reihanipour bekommt keinen Duldungs-Stempel und kein SozialhilfeTaschengeld
Der erste aus Bremen abgeschobene iranische Asylbewerber, der offenbar seit 17 Tagen in Teheran im Gefängnis sitzt, ist nicht der einzige Iraner in Bremen, dessen Asylantrag abgelehnt wurde. Es wird in den nächsten Monaten einige betreffen, hatte der Anwalt der Iraner, Popal, vor Wochen schon mitgeteilt.
Der zweite Fall könnte der von Behnam Reihanipour werden. Am 15.11.1994, so steht es in seiner Ausreiseverfügung, hätte er Bremen verlassen müssen. Er war illegal aus dem Iran geflüchtet, auch er fürchtet, nach seiner Rückkehr verhaftet zu werden. „Im Iran wird nach mir gefahndet, sagt mir meine Familie. Was passiert, wenn ich wieder im Iran bin?“
„Ihre Existenz im Lande führt auf verschiedenen Ebenen, sei es sozial, politisch oder kulturell, zu Unannehmlichkeiten“, hatte die iranische Zeitung Jumhuri-e-Eslami im Hinblick auf die Rückkehr derjenigen geschrieben, die „aus Feindschaft zur islamischen Republik .. oder wegen der Weigerung, Verordnungen der islamischen Republik wie Verschleierung, Alkoholverbot oderer andere moralische Grundsätze zu akzeptieren, verlassen haben“.
Als der Bremer Innensenator öffentlich erklärte, zumindest bis zur Aufklärung des Schicksals von Arsalan Ahadi-Bonap werde niemand mehr in den Iran abgeschoben, schöpfte Reihanipour trotz der Ablehnung seines Asylverfahrens wieder Hoffnung. Er ging zum Bremer Ausländeramt und bat um eine schriftliche Bestätigung, daß er nicht illegl hier ist, sondern geduldet wird – wenigstens heute, wenigstens morgen, übermorgen.
Doch das Ausländeramt lehnte ab: man habe von der Erklärung des Innensenators gehört, aber es gebe keine schriftliche Anweisung, wie zu verfahren sei.
Seitdem traut sich Reihanipour nicht mehr auf die Straße: Wenn irgendein Polizist ihn ansprechen und nach den Papieren fragen würde – er hätte nur die Ausreiseverfügung, mit der er dokumentierten kann, daß er nur noch illegal hier ist und längst hätte verschwinden müssen. Was hilft es ihm, wenn er behaupten kann, der Innensenator hätte in der Zeitung etwas versichert? Reihanipour hat Angst vor der Willkür deutscher Behörden.
Und er bekommt keinen Pfennig Sozialhilfe, nicht einmal das Taschengeld, sagt er. Er ist angewiesen auf die Unterstützung von Freunden, ohne die er sowieso längst aufgegeben hätte.
Beim Bremer Ausländeramt kennt man den Fall und den Namen auf Anhieb. „Es scheint so zu sein, daß es ein Abschiebehindernis gibt“, sagt der Beamte, er habe aber „keine Anweisung in Bezug auf den Iran“. Immerhin habe Reihanipour „vorerst nichts zu befürchten“.
Daß er keinerlei Papiere bekommen habe, bestätigt das Ausländeramt. „Er gilt bei uns als ausreisepflichtiger Ausländer.“ Deshalb bekommt er kein Papier, das die „Aufenthaltsgestattung“ bestätigen würde.
Und warum wird dem ausreisepflichtigen Iraner nicht wenigstenbs schriftlich bestätigt, daß er geduldet wird, vorerst, damit er sich mit etwas anderem als seiner Ausreiseverfügung ausweisen kann?
Das Ausländeramt bestätigt, was uns Reihanipour schon erklärt hatte: Der Mann könnte ein Bescheinigung bekommen, daß er einen Monat noch geduldet wird, wenn er in die iranische Botschaft nach Hamburg fahren würde und sich dort iranische Ausweispapiere gesorgen würde. Doch solange er die Papiere nicht hat, bekommt er nichts. Das sei „etwas blöd gelaufen“.
Auf die Frage, ob das Sozialamt denn die Fahrtkosten nach Hamburg zahlen würde und die 400 Mark für den Ausweis, muß der Beamte vom Ausländeramt passen: Damit hat er nichts zu tun, daß weiß er nicht. Natürlich nicht – dafür sei ein anderes Amt zuständig, das Sozialamt.
Reihanipour sträubt sich gegen diese Vorstellung, einen iranischen Paß beantragen zu müssen; er hat das Gefühl, daß von ihm verlangt wird, den ersten Schritt zur Abschiebung von sich aus zu tun. Außerdem nimmt die iranische Boschaft 4-500 Mark für Ausweispapiere. Und die Fahrt nach Hamburg – Reihanipour hat nicht nur keine Papiere, sich auszuweisen, sondern auch kein Geld. Er bekommt ohne „Duldungs-Erklärung“ nicht einmal das „Taschengeld“ vom Sozialamt - so, sagt er, habe man ihm auf dem Sozialamt erklärt.
Wolfgang Beyer, Sprecher der Sozialbehörde, bestätigt: Wenn ein „ausreisepflichtiger Ausländer“ keine Bestätigung über seine Duldung vorzeigen kann, ist er grundsätzliche nicht sozialhilfeberechtigt. Aber würde Reihanipour denn Geld bekommen, damit er nach Hamburg fahren und sich iranische Papiere besorgen könnte, die das Bremer Ausländeramt für die Bescheinigung einer vierwöchigen Duldung verlangt? Der Sprecher der Sozialbehörde: „Das ist uns bisher nicht vorgekommen.“ Will sagen: Das Verlangen, daß ein „ausreisepflichtiger Ausländer“ auch einen Paß seines Heimatstaates, dem er entfliehen wollte, vorlegen muß, wenn er Sozialhilfe beantragen will, kommt der Sozialbehörde „sehr obskur“ vor. Beyer: „Bislang reichte eine Duldung.“
Aber Reihanipour würde, selbst wenn die Sozilbehörde die Kosten übernähme, sich noch dreimal überlegen, ob er freiwillig nach Hamburg in die iranische Botschaft fahren würde... K.W.
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