: Die Idee von der bunten Gemeinschaft
■ Neue Berliner Architektur: In der Wohnsiedlung Winkelwiesen in Pankow sind die typischen Berliner Stadtstrukturen an die Peripherie geholt / Anknüpfung an geometrische Figuren der klassischen Moderne
In Blau und Weiß, Rot und Gelb leuchten die Farben der neuen Siedlung Winkelwiesen (Bauzeit von 1991 bis 1994) in Berlin-Pankow durch das spätherbstliche Laub und erinnern an Farbtupfer abstrakter Bilder. Auch die Gestaltung der sechs U-förmigen Wohnblöcke mit drei, vier und fünf Stockwerken für rund 430 Wohnungen, vier Läden und eine Kindertagesstätte, die sich um einen zentralen Park gruppieren, assoziiert die Zeit der klassischen Moderne, in der mit idealen geometrischen Figuren und glatten, kühlen Kuben kunstvoll-sachliche Architekturen am Stadtrand geschaffen wurden.
Als wollten sie ganz bewußt an die großen Jahre des Berliner Siedlungsbaus anknüpfen, entwarfen die Architektinnen Constanze Tibes und Jutta Schattauer ein städtebauliches System langer Zeilen, aufgelockerter Blocks und offener Wohnhöfe, die nichts von der modischen Vorstadttheorie kleinbürgerlicher Dörflein à la Karow- Nord oder der Monotonie der Plattenwüsten in sich tragen.
Den Architektinnen ging es vielmehr um die Ideen gemeinschaftlichen Wohnens und Zusammenlebens, versammeln sich doch die Bauten fast symbolisch um den sanft abfallenden Grünraum. In diesen wurde ein Teich als ökologischer Mittelpunkt integriert. Die Häuser selbst sind als unterschiedliche Typen gestaltet für Geschoßwohungen und Maisonettes, für Wohngemeinschaften und als Zweifamilienhaus.
Um genügend Differenzierung und Ideenreichtum bei den Bauten zu erhalten, wurde die Realisierung unter fünf Teams aufgeteilt. Es ist keine Frage, daß die etwas zu weit vom Pankower Zentrum abgehängten Winkelwiesen die Hufeisensiedlung in Britz von 1925/27 und mehr noch die dreieckige Zehlendorfer Waldsiedlung aus dem Jahre 1929 von Bruno Taut zitiert. Dort wurde die Komposition der Farben bereits zur Betonung des Materials und den Tageszeiten gemäß (wie beispielsweise das südwestlich ausgerichtete warme rotbraun des Spätnachmittags) eingesetzt.
Auch der dreieckige Grundriß des Siedlungsteils aus Zeilen und kleinen Riegeln thematisierte den öffentlichen äußeren und den privaten inneren Bereich. Doch die Winkelwiesen weisen über die großen Vorbilder hinaus. Anders als die historischen Bauten auf der grünen Wiese, die nichts mit den Berliner Mietskasernen zu tun haben wollten, holten Schattauer/Tibes die typischen Berliner Stadtstrukturen an die Peripherie. Der „aufgelöste“ Block, der Innenhof und die „Enge“ wurden erden gebaut, Straßenfronten und Ladenzeilen geschaffen. Dahinter tanzen die bunten Häuser mit Terrassen, Loggien und auskragenden Dächern im Kreis. Rolf Lautenschläger
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