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Profitlust Immergrün

■ Ethnobiologen fragen Schamanen, Pharmakonzerne lassen patentieren

Die heilkundigen Madagassen gaben gerne Auskunft: Das rosige Immergrün setzten sie schon lange als Medizin ein. Die Ethnobiologen von der US-Pharmafirma Elililly vernahmen das voll Interesse und brachten ein paar Pflanzen in ihre Heimatlabors. Dort entwickelten Pharmazeuten daraus das Antikrebsmedikament Vincristin, das schon viele leukämiekranke Kinder vor dem Tod bewahrt hat. Die Firma machte Millionen Dollar, während die BewohnerInnen Madagaskars nur ein paar Cents für das Sammeln der Pflanzen bekamen. Heute ist das rosige Immergrün auf der artenreichen Insel im Süden Afrikas fast ausgestorben.

„Mehr als 60 Fälle sind inzwischen bekannt, in denen Unternehmen und Forschungsinstitute des Nordens aus den Ressourcen und dem Wissen des Südens enormen Profit schlagen konnten“, hat Georg Schwede, Abteilungsleiter Naturschutz bei der Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) ausgerechnet. Häufig melden sie ihre Produkte beim Patentamt an. Für die Herkunftsländer gilt dann der übliche Marktpreis, allenfalls können sie eine Lizenz erwerben, um sie selbst herzustellen. Ein zweischneidiges Schwert: Weil nur andere von den Pflanzen profitieren, haben die EinwohnerInnen der Herkunftsländer keinen Anreiz, sie zu schonen.

Inzwischen dämmert es auch einigen Pharmakonzernen, daß sie auf den Artenreichtum der Südhalbkugel angewiesen sind – immerhin 40 Prozent der Medikamente basieren noch heute auf wildwachsenden Pflanzen. Merck Sharp & Dohme hat deshalb 1991 einen Pilotvertrag mit der halbstaatlichen costaricanischen Firma InBio abgeschlossen. Der US- Konzern unterstützt mit einer Million Dollar die Inventarisierung der schätzungsweise 500.000 Arten, die in dem kleinen mittelamerikanischen Land beheimatet sind, und bezahlt außerdem die Einrichtung eines Labors. Dafür bekommt er zwei Jahre lang exklusiv vermutlich etwa 10.000 Proben – genaue Zahlen sind wegen der Geheimhaltung des Vertrags nicht bekannt. Sollte sich so eine Substanz finden, aus der sich ein Medikament entwickeln läßt, hat Merck zugesagt, Costa Rica an den Gewinnen zu beteiligen.

Andreas Gettkant von der Stiftung Entwicklung und Frieden hat Hinweise darauf, daß zwischen 4 und 5 Prozent vereinbart worden sind. In jedem Fall fließt ein Teil des Merck-Geldes in den Nationalpark. „Die Summen sind gering, aber immerhin beteiligt sich zum ersten Mal ein Pharmakonzern überhaupt am Naturschutz“, so Andreas Gettkant. An der Machtverteilung ändert das freilich nichts.

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