Der Mund ist aufgegangen

■ Hamburgs Literaturparadiesvogel Ginka Steinwachs las in der Zentralbibliothek

Im Hamburger Autoren-ABC hat unter „S“ - wie Sprache, wie Spiel, wie Show - Ginka Steinwachs einen festen Platz. Ihr Auftritt am Dienstag abend in der Zentralbibliothek machte deutlich: Buchstaben sind dieser Frau das wichtigste im Leben. Sie zum Sprechen zu bringen, sie verändern, sie zu kitzeln, bis sie Laut geben. Einen anderen Laut und Sinn als den gewohnten. Wer bietet in dieser Stadt mehr Textmelodien, mehr Wortwitz, mehr Sprach-Verfremdung, gepaart mit Ana-Lyse und Selbstinszenierung?

Das Lese-, Leib- und Liebeswortspiel von Ginka Steinwachs verfehlte die befreiende Wirkung auf das Publikum nicht, Laut und Luise ließen grüßen. Die virtuos vorgetragene Mund-art öffnete Ohren und Hirne, schlug mühelos eine Sprachbrücke zwischen Vorleserin und Lauschenden. Denn was wäre diese Poesie ohne Person?

Featuring her own show - im steten Wechsel der Texte, der Sprachen, der Formen betätigt sich Ginka Steinwachs als Fälscherin von hohen Graden. Wer viel liest, kann vieles verwandeln. Und Ginka Steinwachs hat viel gelesen. „Seine Augen sind meine Weide“ - das Hohe Lied Salomons zum Beispiel. Selbst die Wahl ihrer Männer verdankt sich der Alchemie der Buchstaben, denn ihrer aller Namen enden auf -az. Es sind – wen wundert es – ausschließlich Lieben zu anderen Lautkünstlern, zu Musikern. Und es sind zarte Lieben, was selbstverständlich nur an der Vertauschung der Namensendbuchstaben liegen kann.

Ginka Steinwachs hat aus Lektüre Literatur gemacht. George Sand gehört dazu, ein Hörspiel über Gertrude Stein entsteht gerade. Es sind natürlich wieder die magischen (Anfangs-)Buchstaben, die diese „Ginkalogie“ zeugen. Und auch Rabelais hatte seinen Kurzauftritt: “Ich kann und mag über Tränen nicht schreiben,“ sagt mit ihm die Glückssucherin und Freudenbringerin Steinwachs. Das unerträgliche Gewicht der Welt hebt sie auf in der Leichtigkeit des Sprachscheins. Einmal schaute Eichendorff herein: „Die Poeten kommen hierzulande übers Meer, die Philister trinken Kaffee und erschrecken sehr.“ Doch die Hochgestimmtheit der Ginka Steinwachs verbannt jeden Schrecken. Sie versteht sich durchaus als Paradiesvogel unter den Hamburger Autoren und ist wonneweich gestimmt. In einem geplanten New York-Roman will sie die beiden Seiten der Stadt beschreiben, So Heaven und So Hell - den Himmel möchte man wohl von ihr hören - aber was weiß ein Paradiesvogel von der Hölle?

Frauke Hamann