Deutsche Tornados bald über Bosnien?

■ Nato fordert in Bonn Kampfflugzeuge für UN-Mission an / Nato-Studie zur Osterweiterung

Brüssel/Berlin (taz) – Die Nato hat bei der Bundesregierung Kampfflugzeuge zur Unterstützung des Einsatzes in Bosnien angefordert. Wie Außenminister Klaus Kinkel am Rande der Nato-Herbsttagung in Brüssel gestern bestätigte, wird die Anfrage zur Zeit geprüft. „Ob wir nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts uns ausgerechnet im früheren Jugoslawien stärker als bisher engagieren sollten, müssen wir, glaube ich, sorgfältig überlegen“, meinte Kinkel, wollte aber ein entsprechendes Engagement nicht ausschließen. Ein Experte des Verteidigungsministeriums erklärte sogar, man rechne mit einer positiven Entscheidung, jedoch nicht vor Weihnachten.

Bisher waren sich Bonner Politiker über die Parteigrenzen hinweg einig, daß angesichts der historischen Belastungen ein Eingreifen über das bisherige Engagement in Ex-Jugoslawien hinaus nicht in Frage komme. Dem BVG-Urteil zufolge kann die Bundesregierung einen UN-Einsatz im Rahmen von Friedensmissionen unter Mitwirkung des Bundestags beschließen. Über die genauen Modalitäten ließ sich das Gericht nicht aus. Deshalb soll in dieser Legislaturperiode ein „Entsendegesetz“ regeln, mit welchen Mehrheiten ein solcher Einsatz abgesegnet werden muß.

Die Tornado-Kampfflugzeuge sind mit modernster Technik ausgestattet. Sie könnten serbische Stellungen aufspüren und mit elektronischen Mitteln ausschalten. Die mit Raketen bewaffneten Düsenjäger sind im Notfall berechtigt, sich gegen Angriffe zur Wehr zu setzen, also auch serbische Stellungen zu zerstören.

Warum die Nato die deutschen Kampfflugzeuge will, blieb gestern unklar. Auf der Herbsttagung wurde deutlich, daß die Nato serbischen Angriffen auf Bihać weiterhin tatenlos zusehen und lediglich neue Anläufe für Friedensgespräche anstreben will. Aber sie strahlt wieder Zuversicht über ihre eigene Zukunft aus, nachdem die US-Regierung von der Lockerung des Waffenembargos gegen Bosnien abgerückt und auf die Linie der Mehrheit der Bündnispartner eingeschwenkt ist, die den Krieg in Bosnien diplomatisch aussitzen wollen. Die US-Regierung unterstützt inzwischen die Absichten des französischen und des britischen Außenministers, neue Gespräche mit den bosnischen Serben zu führen.

Für die Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Staaten in die Nato soll bis Juni eine Studie ausgearbeitet werden. Sie soll festlegen, welchen Entwicklungsstand die Kandidatenländer bei der Demokratisierung, beim Umbau der Streitkräfte und bei ihrer Finanzierung erreicht haben müssen, um dem Bündnis beitreten zu dürfen. Auf ein Datum für den Beginn der Aufnahmeverhandlungen wurde mit Rücksicht auf die russische Regierung verzichtet. Alois Berger/Wolfgang Gast