Framatome bellt, Siemens wedelt

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung veröffentlicht heute eine Studie über das slowakische Atomkraftwerk Mochovce – Die Ergebnisse stehen schon lange fest  ■ Von Peter Sennekamp

Berlin (taz) – Vor drei Jahren ging der damaligen Tschechoslowakei das Geld aus. Seither ruht die Baustelle. Internationale Umweltschutzorganisationen wollen, daß es so bleibt. Sie haben 150.000 Unterschriften dagegen gesammelt, daß die heutige Slowakei das russische Atomkraftwerk von Mochovce fertigstellt. Effektivere Techniken und konventionelle Kraftwerke könnten den Strombedarf weit wirtschaftlicher decken, rechnen nicht nur Atomkraftkritiker vor.

Über ihre Energiepolitik kann die slowakische Republik jedoch nicht mehr alleine entscheiden. Sie hat für Mochovce einen Finanzierungsantrag bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) gestellt. Der Kredit von etwa 430 Millionen Mark könnte mit Stromlieferungen an die westeuropäischen Geberländer zurückbezahlt werden. Mochovce wurde zum Testfall für die deutsch-französische Zusammenarbeit in Atomfragen.

„Ein heikles Problem“, fand der französische Bank-Vizepräsident Thierry Baudon und gab eine Untersuchung in Auftrag. Heute wird in London das Ergebnis veröffentlicht, überraschen wird es niemanden. Das Kraftwerk soll fertiggestellt werden – 51 Prozent des Kapitals gehören der französischen Elekrizitätsgesellschaft EdF. Vorwürfe, daß aus dem Bankdirektorium Druck auf die mit der Wirtschaftlichkeitsstudie beauftragte Agentur „Putnam Hayes &Bartlett“ ausgeübt wurde, konnte Bankpräsident Jaques de Larosière nicht entkräften.

Das französische Eigeninteresse am osteuropäischen Energiemarkt ist offensichtlich. „Wenn wir in der Slowakei beginnen können, dann werden wir da nicht stoppen“, sagte ungeschminkt der für diese Region zuständige EdF-Manager im August.

Aber auch die Deutschen wollten den Expertenbericht nicht abwarten. Zwar ließ der ehemalige Bundesumweltminister Töpfer baugleiche Reaktoren des russischen Typs „WWER 440/213“ in Greifswald stillegen. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen sprach sich die Bundesregierung dennoch für den Weiterbau von Mochovce aus. Österreichs Umweltministerin hat schon angekündigt, sie werde sich „mit allen Mitteln“ dagegen wehren. Und im internationalen Bankdirektorium selbst zweifelt neben den österreichischen auch der deutsche Vertreter am Sinn des Projekts.

Aber der Bonner Finanzminister wird ihn anweisen, für die Finanzierung des Atomkraftwerks zu stimmen. Differenzen innerhalb des Ministeriums seien eine „rein interne Angelegenheit“, heißt es dazu in Bonn.

Weniger einsilbig gibt sich die Atomabteilung KWU des Siemens-Konzerns in Erlangen. Sie hat bereits einen 150-Millionen- Auftrag für Reparaturen am besonders pannenträchtigen Atomkraftwerk von Bohunice in der Tasche. Zusammen mit der französischen Framatome will sie nun auch die fast fertiggestellten Reaktoren von Mochovce nachrüsten. Das Ziel sei, sagt der Firmensprecher, „aus dem östlichen einen westlichen Sicherheitsstandard zu machen“. Das Beispiel, auf das er verweist, gibt allerdings den Kritikern recht. In Finnland, sagt er, habe sich gezeigt, daß auch russische Atomkraftwerke sicher seien. Denn dort sei eine Schutzhülle um den Reaktor herum gebaut worden, die im schlimmsten Fall die Verseuchung der Umwelt hinauszögert. Eben dieses „Containement“ vermißt die Internationale Atomenergieorganisation IAEO an den Reaktoren von Mochovce. Trotzdem prüfen Siemens-Techniker zur Zeit, ob sie auch ohne Radioaktivitätsbarriere betrieben werden könnten – von den Kosten eines nach Siemens-Maßstäben erforderlichen Neubaus war bei der Entwicklungsbank nicht die Rede gewesen.