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Wohnraum statt Provisorien

■ GAL fordert Wohnungsbau für Flüchtlinge / Gutachten belegt: 30 Prozent billiger als Notunterkünfte / Modellprojekte beantragt Von Kaija Kutter

Hamburg könnte Flüchtlinge komfortabler unterbringen und dabei auch noch Geld sparen. Zu dieser verblüffenden Erkenntnis kommt ein Gutachten des Architekten Klaus Habermann-Nieße von der Hannoveraner „Planungswerkstatt 1“, das er gestern zusammen mit der GAL-Abgeordneten Anna Bruns vorstellte. Statt teure Provisorien zu schaffen, deren Aufbau und Demontage Unsummen verschlingen, sollte man für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge richtige Wohnungen bauen.

Der Senat müsse endlich begreifen, daß „Flüchtlingsunterbringung zu Regelaufgabe gehört“, sagte Bruns. Der oft beklagte „Handlungsdruck“ entstehe nur, weil sich die Politik dieser Tatsache nicht stelle. Statt dessen gebe es seit Jahren „ein konzeptionsloses Notprogramm nach dem nächsten“, Flüchtlinge würden zwischen Schiffen, Containerlagern, Hotels, Pensionen und Pavillons „hin und her verlegt“. Oft seien sie getrennt vom Leben des Stadtteils auf engem Raum untergebracht, der Mindeststandards menschenwürdigen Wohnens nicht entspreche.

Diese „Ausgrenzungspolitik“ läßt sich die Stadt etwas kosten: Jeweils über 150 Millionen Mark in den vergangenen drei Jahren, die laut GAL wesentlich sinnvoller in den Wohnungsbau hätten investiert werden können. So koste die Unterbringung der derzeit 14.000 Flüchtlinge im Schnitt 43 Mark Monatsmiete pro Quadratmeter. Würden Wohnungen gebaut, die nur leicht unter dem Standard von Sozialwohnungen liegen, käme man auf Mieten von 24 Mark pro Quadratmeter und eine Ersparnis von 30 Prozent.

Der Trick: Nur für eine erste Phase von fünf Jahren sollen Flüchtlinge dort unterkommen. Dies, so Habermann-Nieße, sei ein Zeitraum, in dem sich entscheide, ob die Menschen hierbleiben oder in ihre Heimat zurückkehren. Danach sollten die Wohnungen in Sozialwohnungen umgebaut werden und über die städtische Bauförderung finanziert werden. Auch dies spare Geld, da die Baukosten heute mindestens zehn Prozent niedriger seien als 1999.

Als ersten Schritt will die GAL für den Haushalt 1995 zwei Modellprojekte beantragen: Zwei Häuser mit je sechs Wohnungen á 70 Quadratmeter sollen errichtet und zunächst mit sieben Personen belegt werden. Auch sollen sich zwei Wohneinheiten eine Küche teilen. Pro Haus wären lediglich 151.000 Mark aus der Stadtkasse aufzubringen, wenn es nach fünf Jahren von einem freien Träger übernommen und finanziert wird.

Die Idee der GAL sei bereits befolgt worden, sagt Sozialbehördensprecherin Tordis Batscheider. So leben 1750 Aussiedler in Neubauwohnungen, die nach zehn Jahren in Sozialwohnungen umgewandelt werden. Für den Flüchtlingsandrang der vergangenen drei Jahre hätte Wohnungsbau aber viel zu lange gedauert. Batscheider: Sollte sich die „Zugangssituation weiter konsolidieren“, könne man über eine Ausweitung solcher Programme nachdenken.

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