: IM „Schwarz“ bei den Schwarzen
■ Doppelspion bei der CSU / Auch Berliner FDP hatte IM
Hamburg/Berlin (AP/taz) – Der heute 82jährige CSU-Politiker Gerhard Baumann steht unter dem Verdacht, jahrzehntelang für die Stasi führende Köpfe seiner Partei ausspioniert zu haben. Der Spiegel berichtete in seiner neuesten Ausgabe, die Bundesanwaltschaft wolle demnächst Anklage gegen Baumann erheben. Deren Sprecher, Rolf Hannich, bestätigte ein Ermittlungsverfahren.
Baumann war dem Spiegel zufolge zunächst für die Vorgängerorganisation des Bundesnachrichtendienstes (BDN), die „Organisation Gehlen“, tätig. Er saß im Wehrpolitischen Arbeitskreis der bayerischen Union und hatte beste Kontakte, etwa zum jetzigen Parteichef Theo Waigel und zum früheren Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann. Abgeschöpft worden seien auch Bundestagsvizepräsident Hans Klein und die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium Michaela Geiger. Wichtige interne Studien habe Baumann als „IM Schwarz“ bis zur Wende an die DDR weitergeleitet. Über CSU- Seilschaften sei er zudem mit Material des BND und des Landesamtes für Verfassungsschutz versorgt worden, das er ebenfalls der Stasi übergeben habe. Für den Landesverfassungsschutz habe er gleichzeitig als Quelle gedient. Verwickelt in die Affäre seien auch der im September in Pension gegangene BND-Vizepräsident Paul Münstermann und der verstorbene BND-Direktor Kurt Weiß. Nach Informationen des Blattes müssen „etliche Geheimnisträger“ im BND wegen Geheimnisverrats mit Disziplinarverfahren rechnen. Baumann bestreitet nach Angaben des Spiegel, gewußt zu haben, daß seine Informationen an die Stasi gingen. Er habe geglaubt, seine Partner seien Mitarbeiter des französischen Präsidenten.
Auch Berlins FDP muß sich nach einem taz-Bericht von Ende vergangener Woche mit einem IM- Fall befassen. Der offen schwule FDP-Bundestagskandidat Andreas Spector war noch kurz vor der Bundestagswahl am 16. Oktober von der Gauck-Behörde als IM enttarnt worden. Der so informierte FDP-Landesverband hatte dies jedoch als „vertrauliche Personalangelegenheit“ geheimgehalten. Spector, der inzwischen aus der FDP ausgetreten ist, hatte noch im Frühjahr als Landesvorsitzender der Liberalen kandidiert.
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