: Schlank und schön
■ Was darf eine Zeitungsanzeige versprechen? Die Verlage müssen sich oft mit unseriösen Werbern auseinandersetzen
„Mühelos schlank über Nacht“, „Neue Haare, wo schon lange nichts mehr wächst“: Wunschträume vieler fetter Glatzköpfe – und Slogans vieler dicker Gauner. Günter Strack, der sich Diätsuppen von Slim-Fast, aber ja sonst nichts gönnt, darf in der Werbung für Slim-Fast nicht mehr sagen, daß er bei der Hungerkur mit Wassersuppen „mit Genuß und ohne Qual richtig abgespeckt“ hat. Das Kammergericht Berlin, hat der Schlankheitsfirma das nun in letzter Instanz verboten (AZ: 25 U 3069/94). Die Aussage sei falsch und irreführend: Bei Diäten komme es regelmäßig zu Hungergefühlen.
Kein Genuß also. Und das wissen die Richter des Kammergerichts sehr genau: In einem früheren Urteil haben sie sich sogar selbst als Zielgruppe der Schlankheitswerbung bezeichnet – als Dicke also.
Was darf eine Anzeige versprechen? Wann wird der Leser in die Irre geführt? Wann sind Inserate unseriös? Presseverlage befassen sich damit, lange bevor Gerichte entscheiden. Die Verlage müssen ihre Leser vor Bauernfängern schützen, die grob gesetzwidrige Anzeigen ins Blatt bringen wollen. Wer eine Zeitschrift kauft, weil er dem redaktionellen Teil vertraut, der darf auch darauf hoffen, daß er nicht in den Anzeigenseiten Neppern zum Opfer fällt.
Anzeigenabteilungen werden häufig mit unseriösen Inseraten bombardiert, vor allem für Schönheits- und Schlankheitsmittelchen: Haaarwuchsöl, das Glatzen in wilde Mähnen verwandelt (aber selbst beim Produktionschef nur Haare auf den Zähnen wachsen läßt), Ohrringe, die durch Druck auf Ohrläppchen das Fett am Bauch wegdrücken (da hilft der Knopf an der Backe genauso viel), elektrische Impulse, die über Nacht Fett in Muskeln verwandeln (und das Haus der Hersteller in eine Villa).
Wie schön, wenn die Märchen der Scharlatane wahr wären. Ein Mediziner und Direktor eines privaten Instituts verspricht, seine neue Behandlungsmethode beseitige mindestens 16 Krankheitssymptome von Verdauungsstörungen, darunter Rückenschmerzen und Mundgeruch. Gewarnt sei vor Inseraten, die alles und jedes versprechen, und zwar „mühelos und mit garantiertem Erfolg“.
All das verstößt gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, weil es die Verbraucher irreführt. Ihnen wird ein Erfolg vorgegaukelt, den es nicht geben kann. Okay: tell me lies, sweet little lies – aber bitte nicht in einer seriösen Zeitschrift. Der Leser und die Leserin möchten schließlich nicht für dumm verkauft werden.
Seriöse Anzeigenabteilungen sind allerdings im Zwiespalt, wenn sie Inserate und damit einen umsatzbringenden Kunden zurückweisen – vor allem, wenn sie die Anzeigen bei Konkurrenzblättern entdecken, die keine Skrupel haben. Aber sie wissen auch, daß eine Zeitschrift, die unseriöse Inserenten abweist, bei den seriösen auf Dauer nur gewinnen kann: Seriöse Anzeigenkunden mögen es nicht, wenn sie neben Neppern und Schurken erscheinen; denn die machen gerade die dreisten Versprechungen, die die Seriösen nicht machen wollen.
Ein gutes Ansehen ist auch was wert, auch wenn man das nicht immer gleich am Umsatz feststellen kann: Die schnelle Mark mit einer Anzeige kann das gute Image aufgrund kritischer, unabhängiger Berichterstattung, das letztlich den Erfolg der Zeitschrift ausmacht, niemals ersetzen.
Mittlerweile dringen finanzkräftige Inserenten immer stärker auch in den redaktionellen Teil der Zeitschriften vor. Sie wissen: Einem Pressebericht über Schlankheitsmittel und Schönheitswässerchen glauben die Leser mehr als einer Anzeige, weil sie im redaktionellen Teil unabhängigen Journalismus erwarten.
Vor dem Marsch in die Redaktionsseiten machen auch seriöse Firmen nicht halt: Kosmetik- und Gesundheitsredaktionen werden mit sanftem Druck gebeten, über das neue Produkt von x oder y zu berichten, denn: „Wir schalten dann auch eine große Anzeige“. Und Anzeigen sind nun einmal das Skelett, das die Zeitschrift finanziell aufrechterhält. Allerdings: Die Redaktion ist das Blut der Zeitung. Und wegen dieses Blutes wird sie gelesen. Wenn die Redaktion seriös und unabhängig von zahlungskräftigen Anzeigenkunden übers Schlankwerden und Haarausfall schreibt, dann muß sie ihren Lesern eben doch eingestehen, daß sie auch kein Rezept gegen Glatze und Bauch hat.
Wettbewerbsvereine und Verbraucherschutzorganisationen ziehen Firmen mit unseriösen Angeboten bei Gericht zur Verantwortung. Vor allem Werbung für Schlankheitsmittel aller Art wurde schon vor Günther Stracks Abspeckgenuß häufiger von Gerichten verboten. Das Landgericht Berlin hat zum Leidwesen aller Dicken mehrfach festgestellt: Schlank wird man nur durch weniger Essen und mehr Sport. Michael Schmuck
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