Zuviel Jüdisches

■ Latenter Antisemitismus im MDR-Funkhaus Magdeburg?

Wenn Rechtsradikale jüdische Friedhöfe verwüsten, ist das gewalttätiger Antisemitismus. Latenter Antisemitismus findet sich dagegen in allen Schichten der Bevölkerung – auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind dagegen nicht gefeit. Etwa das Magdeburger Funkhaus des Mitteldeutschen Rundfunks.

Da moniert zum Beispiel der Ressortleiter Aktuelles/Landespolitik, „daß die Anzahl der Sendungen zum Thema Israel/Juden möglicherweise zu oft im Programm sei“. So jedenfalls stand es im Protokoll einer Ressortleitersitzung. Aber der Zitierte, Heiner Tognino, korrigierte später das Protokoll: Er begrüße es, daß diese Themen immer wieder aufgegriffen werden, „sei aber der Ansicht, daß die Massierung des Themas Israel/ Juden gegenüber anderen Minderheiten zu stark ist“.

Wiederholt war er bemüht, diese „Massierung“ zu begrenzen. Als im vergangenen Jahr erstmals eine israelische Jugendgruppe Sachsen-Anhalt besuchte und in Zerbst einen Gedenkstein für die Holocaust-Opfer einweihte, plante der damalige Fernsehchef Bernd Träger einen Dreiminuten-Film für die Regionalsendung „Sachsen-Anhalt heute“ ein. Tognino kippte den Film und versteckte das Ereignis als Meldung im Nachrichtenteil. „Wir haben ewig mit ihm darüber diskutiert“, sagt Beate Koth, die damals den Film drehte, „aber Tognino ließ sich nicht umstimmen: das sei mit dem Funkhausdirektor abgestimmt“.

Der heißt Ralf Reck, und er brachte Tognino seinerzeit vom Hamburger NDR mit nach Magdeburg. Auch Reck hat seine eigene Meinung zu jüdischen Themen. Vor zwei Jahren hatte Fernsehchef Träger für eine Sendung der Reihe „Magdeburger Gespräch“ Ignatz Bubis, den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, eingeladen. Nach zweimaliger Mahnung durch Reck mußte Träger Bubis wieder ausladen. Das brachte damals sogar die Welt auf die Palme: „Wieviel Schaden der Verantwortliche dem Sender, wieviel Schaden er dem ganzen Land zugefügt hat, braucht nicht erklärt zu werden.“

Der MDR-Rundfunkrat wollte sich den Vorfall dennoch erklären lassen. Reck redete sich heraus, es habe nie eine offizielle Einladung an Bubis gegeben, folglich könne es auch keine Ausladung geben. Das Ausladungsschreiben („mit Bedauern“) liegt der taz vor. Außerdem bemühte sich der Funkhauschef um Schadensbegrenzung und lud Bubis nun seinerseits zu einem „Magdeburger Gespräch“ ein.

Bernd Träger gehörte zu denen, die sich immer wieder für Beiträge zum Thema Juden im MDR-Programm einsetzten. „Da gibt es wegen der fehlenden Holocaust-Aufarbeitung zu DDR-Zeiten einen enormen Nachholbedarf“, findet er noch heute. Beim MDR darf er freilich gar nichts mehr nachholen. Per Aufhebungsvertrag setzte der Sender seinem Magdeburger Fernsehchef den Stuhl vor die Tür. Einer der vielen Vorwürfe gegen Träger: Ohne Absprache mit Reck habe er auch den israelischen Generalkonsul Mordechay Lewy zu einem „Magdeburger Gespräch“ eingeladen.

Kommissarischer Nachfolger Trägers wurde Reck-Intimus Tognino. Der hatte schon vorher einmal, bei einer Diskussion zum Polit-Dauerbrenner „Rückgabe oder Entschädigung“, vorgeschlagen, das Thema den Zuschauern besonders drastisch zu verdeutlichen: Er wollte einen ihm bekannten, sonst nicht für den MDR tätigen Journalisten mit Recherchen beauftragen, wo in Magdeburg Juden unberechtigte Rückgabeansprüche geltend machen. Und auch, daß Entschädigungszahlungen für von den Nazis enteignete jüdische Grundstücke nach Amerika gehen, statt in Magdeburg zu bleiben, fand Tognino im Gespräch mit Bärbel Jacob bedauerlich.

Die freie Mitarbeiterin mit einem Rahmenvertrag war die Judaica-Spezialistin im MDR-Landesfunkhaus Magdeburg und mußte immer wieder erleben, daß Tognino ihr Themen aus dem Programm kegelte. So strich er den Beitrag über einen jüdischen Friedhof, der mit Sozialwohnungen überbaut werden sollte, ersatzlos. Schließlich untersagte er Bärbel Jacob gänzlich, jüdische Themen zu bearbeiten. Begründung: Sie vermische Dienstliches und Privates. Tognino hatte sich persönlich in die Magdeburger Synagogengemeinde begeben und dort beim Landesgeschäftsführer der jüdischen Gemeinden, Peter Ledermann, herausgefunden, daß die Journalistin auch privat die Synagoge besucht.

Als sie gegen die Einschränkung ihrer Tätigkeit klagte, feuerte sie der MDR fristlos. Heute wird vor dem Arbeitsgericht verhandelt. Nach dem gescheiterten Gütetermin hat Tognino noch schnell eine freie Mitarbeiterin auf Alibirecherche gejagt. „Die stand auf der Schwelle und wollte unbedingt sofort einen Film über unsere Gemeinde drehen, ohne konkreten Anlaß“, sagt Peter Ledermann.

Seit Mittwoch vergangener Woche ist Tognino nicht mehr kommissarischer, sondern fest bestallter Fernsehchef in Magdeburg. Eberhard Löblich