: Gnade für den Unhold
■ Dennis Rodman, der Klaus Kinski der NBA, darf nach wochenlanger Beurlaubung wieder die Bälle schnappen
Berlin (taz) – „Um das höchste Niveau zu erreichen, muß man manchmal ein bißchen verrückt sein. Das ist etwas, das ich von Dennis gelernt habe.“ Diesen Satz, den David Robinson von den San Antonio Spurs in der letzen Saison der US-Basketball-Liga NBA von sich gab, würde er heute wohl kaum noch in den Mund nehmen. Besagter Dennis Rodman nämlich, seit Jahren bester Rebounder und größter Unhold der Liga, war die gesamte bisherige Saison vom Dienst suspendiert. „Wir bitten ihn lediglich, so zu sein wie alle anderen“, fleht Teamkollege Sean Elliott, doch genau das kann man von Rodman, der von sich selbst sagt, er sei „ein Irrer“, nun wirklich nicht verlangen.
Als die Detroit Pistons genug hatten von den Eskapaden des inzwischen 33jährigen, der mit seinen Defensivkünsten maßgeblich zum zweimaligen Titelgewinn des Clubs beigetragen hatte, sprang der damalige Spurs-Coach John Lucas in die Bresche. Selbst mit einer beachtlichen Impulsivität gesegnet, traute sich Lucas zu, den exzentrischen Star, der Feldverweise sammelt wie Shaquille O'Neal die Dunks, zu bezähmen. Die Sache klappte vorzüglich. Rodman verpaßte zwar etliche Partien wegen diverser Sperren, aber wenn er auf dem Platz stand, tat er zuverlässig seine Arbeit: 17,3 Rebounds im Durchschnitt pro Match. Nebenbei führte er eine Vielzahl grellbunter Haartrachten vor und brillierte mit einfallsreichen Tätowierungen sowie einem Techtelmechtel mit Madonna.
Weil Rodman unter dem Korb aufräumte, konnte sich David Robinson um das eigene Punktekonto kümmern. „Solange Dennis die Rebounds holt, kann ich tun, was ich will“, freute sich Robinson, der die Saison als bester Werfer der NBA beendete. Locker erreichten die Spurs die Play-offs, wo sie allerdings gleich in der ersten Runde an Utah Jazz scheiterten.
Dann begann der Ärger. Lucas ging nach Philadelphia, und der neue Coach Bob Hill schaffte es nicht, den sehr trainingsfeindlich eingestellten Rodman zur regelmäßigen Teilnahme an der Saisonvorbereitung zu bewegen. Als er bei einem Testspiel erst zur zweiten Halbzeit erschien, wurde er von Clubbesitzer Gregg Popovich suspendiert und mußte 15.000 Dollar Strafe zahlen. Kurz nach Saisonbeginn handelte er sich eine weitere Beurlaubung ein, die letzte Woche auslief. Als er zum vereinbarten Zeitpunkt nicht in San Antonio erschien, sondern von Dallas aus anrief und erkärte, er könne nicht kommen, weil er sein Auto verliehen habe, wurde Rodman wieder suspendiert, diesmal ohne Gehaltszahlung. Zwei Tage später durfte er überraschend in den Kader zurückkehren.
Den Grund für die plötzliche Milde verrät ein Blick auf die bisherige Saisonbilanz der Spurs und vor allem auf die Reboundstatistik. Mit neun Siegen und neun Niederlagen steht der Club derzeit nicht auf einem Play-off-Platz, und bei der 121:124 Heimniederlage gegen Dallas erwischten die Gäste 62 Rebounds, während es San Antonio gerade auf schlappe 33 brachte. So viele schafft Rodman an einem guten Tag fast allein. Auf seinem Saisoneinstieg ruhen nun die Hoffnungen, wiewohl Coach Bob Hill skeptisch bleibt: „Auf dem Papier ist es leicht, zu sagen, daß er unsere Probleme löst. Aber man braucht auch die richtige Einstellung.“
Seinem Image haben Dennis Rodmans neuerliche Eskapaden eher gutgetan. Gerade hat er einen wohldotierten Werbespot abgedreht, in dem er dem Weihnachtsmann mittels leichter Gewaltanwendung ein Paar Schuhe entlockt. Matti Lieske
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