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■ Die humanitäre Hilfe im Würgegriff des FinanzministersMickrig und pedantisch klein

Im Haushalt 95 gibt es einige „Schönheitsfehler“. Während die Bundeswehr für ihre Krisenreaktions- Streitmacht einen dicken Batzen zugewiesen bekommt, sinkt der Betrag für einen Politikbereich, der in den Augen der Bevölkerung einen immer wichtigeren Platz einnimmt: Der Posten der humanitären Hilfe wird um zehn Millionen geringer als 1994 veranschlagt. Das überrascht um so mehr, als ja schon in den letzten Jahren viel beschworen wurde, sowohl vom Ressort wie von der Verantwortlichkeit und der ausgeworfenen Summe die humanitäre Soforthilfe steigern zu müssen. Außenminister Kinkel hat dieses in einer Sitzung des Arbeitskreises Humanitäre Hilfe im AA im Beisein der NGOs deutlich in Aussicht gestellt. Darunter hatte man in den letzten zwölf Monaten verstehen wollen: Die Aufwertung des Ressorts innerhalb des AA durch einen Staatssekretär, der an Stelle des Referats ASHH, also „Arbeitsstab Humanitäre Hilfe“, treten würde.

Dafür im Gespräch war in letzter Zeit auch der ehemalige Staatssekretär im BMZ, Hans Peter Repnik. Doch die Ministerien werden von ihren Ministern lieber stromlinienförmig ausgerichtet: Ein noch so guter CDU-Politiker paßt dann eben nicht in ein der FDP „gehörendes“ Ministerium.

Statt bisher – 1994 – 85,6 Millionen Mark liegt der Haushaltstitel für die humanitäre Hilfe bei gut 75 Millionen Mark, wobei davon mehr als 40 Millionen für Flüchtlingshilfe, zwei Millionen für Transportaufgaben, zehn Millionen für Soforthilfe gewidmet werden. Dabei waren gerade in Ruanda, aber auch in Bosnien und Somalia die großen Engpässe der nationalen humanitären Soforthilfe erkennbar, selbst da, wo sich das Militär alleine um die Aufgaben kümmerte. So fehlen der Logistik der Bundeswehr und damit der Bundesregierung einfach gute, verläßliche und weitreichende Transportflugzeuge. Deutschland hat eigentlich nur veraltete Transalls, die von ihrer Reichweite her Afrika, Asien, Lateinamerika gar nicht berühren können.

Mußte die Bundesregierung in den letzten zwölf Monaten Transporthilfe leisten, war sie auf einen ziemlich demütigenden Weg bis nach Sibirien – konkret: Tjumen – angewiesen, wo bei den Nachfolgegesellschaften der Aeroflot allerlei große, dickbäuchige Iljuschin- und Tupolew-Flugzeuge bis hin zu den Großtransportern der Aeroflot zu chartern sind. Aber wenn dann mal bei einer einsetzenden Katastrophe der Markt geschlossen ist, kann sich, wie das im Juli 1994 erkennbar wurde, die Bonner Regierung auf den Kopf stellen: Sie bekommt kein Flugzeug. Auch nicht bei besseren, besten Angeboten.

Die humanitäre Hilfe wird ein wichtiger Bestandteil deutscher Politik und öffentlicher Sympathie bleiben. Deshalb verwundert es, daß Bonn ausgerechnet diesen Haushaltstitel auch noch für 1995 um rund zehn Millionen Mark kürzen muß. Einen Titel also, der schon im Verhältnis zu den 320 Millionen Mark, die allein die überflüssige Somalia-Operation kostete, mickrig und wirklich pedantisch klein wirkt. Rupert Neudeck

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