: Monaden für einen Nomaden
■ Der israelische Raumkünstler Absalon im Kunstverein
Ein Zylinder, ein Würfel und zwei abgerundete Quader: auf den ersten Blick scheinen vier weiße Großplastiken die große Halle des Kunstvereins optisch zu einem Außenraum umzuwerten. Bei näherer Betrachtung stellen sich die geometrischen Formen als begehbare Wohnzellen heraus: Auf jeweils neun Quadratmeter hat der israelische Künstler Absalom in der Architektursprache des Bauhauses verschiedene mönchische Behausungen auf seine Körpermaße zugeschnitten. Die im Endzustand mit Dusche, Küchenzelle, Schlaf- und Arbeitsplatz gedachten Wohnzellen sollten in verschiedenen europäischen Städten als persönliche Unterkunft dienen. Der internationale Künstler ist zugleich Nomade und Monade, ein Wortspiel wird zum Konzept.
Absalon lebte und arbeitete zuletzt in seinem Pariser Atelier, das Le Corbusier für den konstruktivistischen Bildhauer Jacques Lipchitz gebaut hatte. Doch trotz so massivem Bezug zu legendären Meilensteinen der modernen Architektur stoppt es die Denkdynamik über Absalons Werk, sieht man es nur als utopischen Architekturentwurf. Der Künstler nutzt das System der Architektur für sein individuelles Konzept. Diese weißen, paßgenauen Hüllen sind eher zweite Häute als Häuser. Entscheident für ihre Deutung ist, daß Absalon wußte, er hatte sich mit Aids infiziert.
So wird der zweistöckige Turm nicht nur der Elfenbeinturm als idealer Rückzugs- und Studienort, er bekommt auch eine Funktion als eine Art Festung gegen die Zumutungen der Welt und den tödlichen Angriff der Krankheit. Auf einem der drei gezeigten Videofilme kämpft der Künstler einen verbissenen Kampf auf kleinstem Raum gegen unsichtbare Gegner, auf einem anderen Bildschirm vermag er nur noch zu schreien.
Das Weiß des südlichen Lichts, das Weiß einer strikt geometrischen und rationalen Archtekturkonzeption ist auch in manchen Kulturen eine Farbe der Trauer: Absalon starb im Alter von nur 29 Jahren letztes Jahr in Paris.
Die jetzige Tournee der weißen Wohnzellen ist von der französischen Künstlerförderung AFA so wesentlich gefördert, daß der Kunstverein die Eintrittsgelder dieser Ausstellung dem Aidshilfeprojekt Leuchtfeuer zugute kommen lassen kann. Hajo Schiff
Kunstverein, Klosterwall 23, Eröffnung Sonntag 17 Uhr, bis 28. Februar. Als Katalog ist das englisch/französische Begleitbuch der Ausstellung im Tel Aviv Museum von 1992 erhältlich.
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