: Der Fisch liegt und beginnt zu stinken
■ Der Zeitplan für den Großflughafen Berlin-Brandenburg soll eingehalten werden, steht aber auf wackligen Beinen
Offiziell dominiert Zuversicht, doch zwischen den Sätzen schwingt die Skepsis mit. „Ich habe die Hoffnung, daß wir im Frühjahr 1995 doch noch zu einer Entscheidung über den Standort des Großflughafens kommen“, sagte der Berliner CDU-Verkehrsexperte Rainer Giesel am Donnerstag abend während einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Einigung mit der Bundesregierung über die Finanzierung des Projekts sei „natürlich schwierig“, aber das Planfeststellungsverfahren müsse unter allen Umständen bis zum Jahresende 1995 eingeleitet werden.
Weil Eile geboten ist, will die Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF), die den neuen Airport an einem der drei Standorte Schönefeld, Sperenberg und Jüterbog bauen will, nicht von ihrem eng gesteckten Zeitplan abweichen. Inklusive neuer, nach unten korrigierter Prognosen des Fluggastaufkommens erarbeitet die BBF-Geschäftsführung einen Standortvorschlag bis Mitte Januar 1995. Der Aufsichtsrat soll darüber am 1. Februar beschließen, bekräftigte BBF-Geschäftsführer Manfred Hölzel.
Die Flughafen-Lobby drückt auf die Tube, weil am 31. Dezember 1995 das Beschleunigungsgesetz für den Bau von Straßen und Schienen ausläuft. Wenn das Planfeststellungsverfahren für den neuen Flughafen bis dahin nicht beantragt ist, haben GegnerInnen des Projektes wieder mehr Einspruchsmöglichkeiten. So können ihre Klagen vor Gericht aufschiebende Wirkung erlangen. Die Realisierung des Flughafens München-Erding brauchte auf diese Art 32 Jahre vom politischen Beschluß bis zur Eröffnung.
Auch wenn die Geschäftsführung der BBF ihren Zeitplan einhält, sind noch nicht alle Schwierigkeiten ausgeräumt. Die Einigung zwischen den BBF-Gesellschaftern – Berlin, Brandenburg und Bundesregierung – gestaltet sich schwierig. Unter anderem weil Schönefeld billiger sein könnte, plädieren Eberhard Diepgen und auch Bonner PolitikerInnen für diesen Standort. Brandenburg dagegen bevorzugt Sperenberg oder Jüterbog.
Während der Großflughafen in der Schwebe ist, wird der alte DDR-Airport in Schönefeld weiter ausgebaut. Schönefeld müsse für die Übergangszeit bis zur Inbetriebnahme des neuen Airports, „so attraktiv wie möglich sein“, sagte BBF-Geschäftsführer Hölzel. Diese Politik könnte sich in Zukunft zur Vorentscheidung für den Standort Schönefeld auswachsen. Möglicherweise erübrigt sich dann der Bau eines neuen Flughafens auf der grünen Wiese in Brandenburg. Davor warnt Heinrich Beder, Lufthansa-Direktor aus Frankfurt a.M.: „Entscheiden Sie sich schnell für den neuen Flughafen. Ein Fisch, der lange liegt, fängt an zu stinken.“ Hannes Koch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen