: Die Kopfnuß und der verstoßene Sohn
■ Dariusz Michalczewski für zehn Tage doppelter Profi-Boxweltmeister Von Kai Rehländer
Langsam wird es eng um die Taille von Dariusz Michalczewski. Nur mühsam paßte der am Sonnabend abend frisch gewonnene zweite Weltmeistergürtel um den durchtrainierten Körper des Boxers. Durch einen K.o.-Sieg in der 10. Runde gegen den argentinischen Titelverteidiger Nestor Giovannini ist der in Hamburg lebende Deutsch-Pole nun bereits in zwei Gewichtsklassen (Halbschwer und Cruisergewicht) Champion der World Boxing Organisation (WBO), des kleinsten der vier konkurrierenden Weltverbände. Und somit als erster deutscher Profi-Boxer Doppelweltmeister.
Ein Zustand, der allerdings nur zehn Tage anhalten darf. Dann muß sich Dariusz Michalczewski – oder besser: sein Promoter, der Hamburger Frittenbuden-König und Immobilienbesitzer Klaus-Peter Kohl – entscheiden, welcher der beiden Titel zurückgegeben wird. Denn: Trotz der enormen Macht des Kohlschen Geldes in der WBO darf auch sein Boxer nur in einer Gewichtsklasse Weltmeister sein.
„Es ist sehr traurig, daß ich mich von einem Titel trennen muß. Ich liebe sie beide. Sie sind für mich wie meine Söhne“, fabulierte der 26jährige Michalczewski, den der Ringname „Der Tiger“ schmückt, nach dem Kampf. Wahrscheinlich wird der in all seinen 25 Kämpfen ungeschlagene Profi auf seinen älteren Sohn, den im September erboxten Titel im Halbschwergewicht, verzichten, um in den USA gegen den 36jährigen Altstar Thomas Hearnes (Ex-Weltmeister in fünf verschiedenen Gewichtsklassen) im Cruisergewicht anzutreten. „Dariusz muß der erste Deutsche nach Max Schmeling sein, der in Amerika um die Weltmeisterschaft boxt“, verkündete Klaus-Peter Kohl. Auch eine Gelegenheit, dem innerdeutschen Duell gegen den anderen deutschen Halbschwergewichts-Weltmeister, Henry Maske (IBF-Version), aus dem Weg zu gehen. Zumal der Pay-TV-Sender Premiere die Übertragungsrechte von Michalczewki besitzt, während RTL die Kämpfe von Maske exklusiv zeigen darf.
Vor 7000 Zuschauenden (darunter René Weller, Ebby Thust, Gottlieb Wendehals und Margarete Schreinemakers) in der Alsterdorfer Sporthalle zeigte der „Tiger“ einen hochklassigen Kampf, bei dem er durch sein enormes Tempo und sein aggressives Gemüt Nestor Giovannini nicht den Hauch einer Chance ließ. Bereits nach wenigen Runden hatte der leicht pummelige Argentinier schwere Verletzungen im Gesicht, die das Hemd des Ringrichters rot färbten. Eine Überlegenheit, die sich auch in der Statistik widerspiegelt: Insgesamt 257 mal schlug Michalczewski zu und traf seinen Gegner immerhin 115 mal, während er selbst von den 307 Schlägen Nestor Giovanninis nur 58 einstecken mußte.
Daß unter den Treffern, die der „Tiger“ landete, eine regelwidrige Kopfnuß gewesen war, erboste nur Giovanninis Anhang. Eine kleine Macht-Demonstration des vor Stolz fast platzenden Box-Promoters Kohl – das Angebot an Giovannini, sich in Hamburg durch eine Qualifikation für einen erneuten Titelkampf prügeln zu dürfen – brachte die Kritiker zum Schweigen.
Michalczewki, als Kind Mitglied einer Danziger Jugendgang, wurde durch diesen Sieg um 220.000 Mark reicher. Immerhin 3790 Mark für jeden eingefangenen Schlag.
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