■ „Spiegel“-Mitarbeiter akzeptieren Aust unter Protest: Trägheit und Unterwerfung
Wenn es um den Spiegel geht, muß jeder etwas dazu sagen, und so griffen die Leitartikler in der letzten Woche tief in die Tasten, allen voran die Süddeutsche Zeitung, wo Jürgen Busche unkte: „Der Spiegel wird zerstört, indem sich die Mitarbeiter besiegen lassen.“ Und die Spiegel-Redaktion leckt sich per Hausmitteilung tatsächlich die Wunden mit einem Antje-Vollmer-Zitat aus der taz: „... daß der Spiegel Eigentum der ganzen Republik ist“, und kommentiert ihrerseits: „Ja, so ist es wohl ...“ Drei Punkte.
Nein, so ist es nicht, auch wenn es schön klingt. Eher schon ist der Spiegel mit seiner Krise ein Abbild dessen, was sich in der Republik und ihrer Publizistik insgesamt verändert hat. Das Hamburger Spiegel- Haus ist mitnichten ein „Käfig von Feiglingen“ (Busche), sondern ein Haufen von Redakteuren, die der verlorenen Meinungsführerschaft hinterherlaufen, und die auch kein besseres Konzept haben als ihr Herausgeber. Nur: Kann es diese Meinungsführerschaft heute überhaupt noch geben? Sind nicht alle meinungsmachenden Redaktionen seit 1989 über die großen Fragen (ob Vereinigung, Golfkrieg oder Bosnien) gespalten und verunsichert? Müssen nicht alle seriösen Medien sich damit einrichten, daß ein Großteil der liebgewordenen Werbegelder heute an Privatfernsehen und Häppchenmagazine fließt?
Der Spiegel hat sich in der Vergangenheit zu wenig als innovatives Unternehmen begriffen, zu ausschließlich als konkurrenzlose Institution und Gewinnverteilungsmaschine für die Mitarbeiter. Wenn das nicht mehr funktioniert, dann muß etwas geschehen. Augstein hat seine Verlegerrolle noch einmal – diktatorisch – wahrgenommen, um den Spiegel aus der Lethargie zu reißen: weniger Leute, mehr investigativer Journalismus. Und durchsetzen muß das schließlich jemand. Mit Stefan Aust, so ein Hamburger Ondit, kann Augstein, anders als mit dem umgänglichen Kilz, „von Arschloch zu Arschloch reden“.
Doch auch Aust wird sehen – und weiß es vermutlich längst –, daß sich eine Mammut-Redaktion nicht so führen läßt wie sein kleiner TV-Laden. Schon gar nicht in Richtung gedrucktes Fernsehen. Vor allem wäre eine „Focussierung“ des Spiegel, auf die Helmut Markwort schon hämisch verweist, auch ökonomisch der größte anzunehmende Fehler. Augstein geht es also nicht, wie Antje Vollmer meint, „um Tod oder Leben, archaisch“. Sondern um einen neuen Impuls, den er der alten Struktur nicht zutraute. Daß er dafür ein demütigendes Verfahren gewählt hat, steht auf einem anderen Blatt. Die fünf Mitarbeitervertreter haben sich gefügt – und sind anschließend aus Protest gegen Augsteins „Nötigung“ zurückgetreten. Es könnte das Ende des einst hochgelobten Spiegel-Beteiligungsmodells sein. Daß es sich überlebt hat, zeigt der Ablauf der letzten Woche. Gruner + Jahr, bisher nur Vierteleigentümer, wartet schon. Michael Rediske
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