: Die UNO geht, in Somalia wird gekämpft
■ Die Summe einzelner Vorfälle nährt die Angst vor einer neuen Kriegsrunde
Nairobi (taz) – Im Zeichen des schrittweisen Rückzugs der noch verbliebenen 13.000 UNO-Soldaten aus Somalia scheinen die verfeindeten Bürgerkriegsfraktionen derzeit um eine Erweiterung ihrer jeweiligen Einflußzonen zu ringen. Aus den drei wichtigsten Städten des Landes wurden in den letzten Wochen Gefechte gemeldet. Keine der Auseinandersetzungen hat zu dem befürchteten „Flächenbrand“ geführt. Die Summe der einzelnen Vorfälle ergibt jedoch ein Gesamtbild, das einen neuen Ausbruch größerer Kampfhandlungen in den nächsten Monaten als wahrscheinlich erscheinen läßt.
UNO-Angaben zufolge haben bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Gruppierungen in Mogadischu zu Beginn des Monats mehr als 100 Todesopfer und 300 Verwundete gefordert. Auslöser der Gefechte war der Wechsel des bislang mit Fraktionschef Ali Mahdi verbündeten Mohamed Kanyare Afrah ins Lager von dessen Erzfeind General Farrah Aidid. Tausende von Einwohnern des umkämpften Stadtviertels Medina sind ins Landesinnere geflüchtet, obwohl dort, wie UNO-Sprecher George Bennett erklärte, Nahrungsmittelknappheit herrscht und es kaum Medikamente gibt.
Auch die südliche Hafenstadt Kismayo war in den letzten Wochen mehrfach Schauplatz von Kämpfen. Inzwischen ist Augenzeugenberichten zufolge dort ein Zustand der „gespannten Ruhe“ eingekehrt. Nach wie vor herrscht dort Mohamed Said Hersi, besser bekannt als „General Morgan“, der Schwiegersohn des gestürzten Präsidenten Siad Barre. Sein Hauptrivale im Ringen um die Kontrolle über Kismayo ist der ogadenische Fraktionschef Omar Jees – einer der engsten Verbündeten von General Aidid.
Um die Macht gekämpft wird auch in Hargeisa, Hauptstadt der 1991 ausgerufenen, international nicht anerkannten „Republik Somaliland“ im Nordwesten des Landes. Hier liefern sich Streitkräfte des 1993 von einem Ältestenrat zum Präsidenten gewählten Mohammed Ibrahim Egal und Anhänger seines Vorgängers Abdurahman Tuur blutige Gefechte. Noch ist unklar, ob es einer Seite gelingen kann, langfristig militärisch die Oberhand zu gewinnen.
Die Ereignisse in Hargeisa hängen eng mit der Entwicklung im Süden des Landes zusammen. Abdurahman Tuur, einer der Initiatoren der Sezession von „Somaliland“, hat sich mittlerweile ebenfalls mit Aidid verbündet und tritt für eine Wiederangliederung an Somalia ein. Aidid würde an Ansehen im Süden beträchtlich gewinnen, wenn er für sich in Anspruch nehmen könnte, an der nationalen Vereinigung Somalias maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Beobachter bezweifeln jedoch, daß sich der Somaliland-Konflikt militärisch lösen läßt. Die Bevölkerung dieses Territoriums hat die Hauptlast des Guerillakrieges gegen den ehemaligen Diktator Siad Barre getragen. Noch aus dieser Zeit rührt ein von breiten Kreisen getragener Widerstand gegen eine neuerliche Unterordnung unter eine Zentralgewalt in Mogadischu.
Von der Etablierung einer solchen Zentralgewalt ist Somalia allerdings ohnehin nach wie vor weit entfernt. Farrah Aidid und Ali Mahdi halten bereits seit Wochen sogenannte „Versöhnungskonferenzen“ mit ihren jeweiligen Verbündeten in Mogadischu ab und drohen beide mit der Ausrufung einer eigenen „Regierung“. Sollte sich eine Seite tatsächlich zu diesem Schritt entschließen, dann könnte dies der Funke im Pulverfaß werden. Bettina Gaus
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