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Der Hillary-Effekt

Mein Bauch gehört mir: Schwarzeneggers Schwangerschaft in „Junior“ und Hollywood in anderen Umständen / Bad Girls in Klamotten  ■ Von Christiane Peitz

Stellen Sie sich vor: Ein Muskelprotz, sagen wir Arnold Schwarzenegger, liegt flach auf dem Bett, lüpft das Hemd und zeigt seinen Bauch. Worauf der Gynäkologe, sagen wir Danny DeVito, genau das tut, was jeder Frau, die einmal schwanger war, vertraut sein dürfte: Er verteilt Gel und tastet mit dem Ultraschallgerät behutsam den Unterleib ab, während Arzt und Patient gebannt auf den Bildschirm starren. Und siehe da: Die vage erkennbare Perlenkette im körnigen Schwarzweißbild, „das ist die Wirbelsäule“, und dort, nein wirklich, ein Fuß und der Kopf. Es bewegt sich sogar. Rührung kommt auf. Stellen Sie sich außerdem vor: Arnold, die Kampfmaschine, kotzt morgens vor Übelkeit, leidet unter Stimmungsschwankungen und Freßanfällen, hockt stundenlang tratschend am Küchentisch, zitiert romantische New-Age-Weisheiten über die „Melodie des Lebens“ und registriert erstaunt die Wirkung der Schwangerschaftshormone: „Meine Brustwarzen jucken!“ Als sein Chef ihm blöd kommt, schmettert er ihm ein radikalfeministisches „Mein Bauch gehört mir!“ entgegen, absolviert in rosa Umstandskleidung brav seine Schwangerschaftsgymnastik und hechelt im Kreißsaal zum Kaiserschnitt, als sei er im Kino schon immer nur deshalb außer Atem geraten. Sogar die Problematik des Urinierens im Stehen während des neunten Monats wird angedeutet, wenn auch dezent. Schwarzenegger schwanger: Wem angesichts dieser Vorstellung die Phantasie versagt, dem sei ein Besuch von „Junior“ empfohlen, dem neuesten Streifen von Ivan Reitman („Ghostbusters“, „Dave“). Darin gelingt Arnie als Doktor Alexander Hesse (sic!) die erste erfolgreiche, männliche Bauchhöhlenschwangerschaft in der Geschichte der menschlichen Fortpflanzung. Medizinisch ein Unding, aber Kino macht's möglich. Danny DeVito, der mit dem Hünen aus Österreich schon einmal (in Reitmans Komödie „Twins“) ein ungleiches Paar bildete, steht ihm als Frauenarzt zur Seite. Und Emma Thompson stolpert als verschrobene Forscherin Diana und unfreiwillige Spenderin des tiefgefrorenen Eis (in Erinnerung an ihre Frühzeit als Alleinunterhalterin und Bühnenkomikerin) durch Labors, Restaurants und Apotheker-Empfänge in die Arme ihres anschwellenden Kollegen, damit der Vater sich wenigstens postnatal mit Juniors tolpatschiger Mutter zur Kleinfamilie vereinigen kann. Die US-Zeitschrift Premiere berichtet von Schwarzeneggers Recherchen in Gynäkologen-Wartezimmern und daß Mr. Universum schon als Kind am liebsten rosa T-Shirts trug. „Der Witz bei ,Junior‘ besteht nicht darin, daß ein Mann schwanger wird, sondern daß es ausgerechnet Arnold ist.“ Und das Presseheft prophezeit die „Geburt eines neuen Männerbildes“. Hollywood als fröhlicher Vorreiter bei der Aufhebung der Geschlechterdifferenz? Der Actionheld als drag queen, in Ergänzung zu den starken neuen Heldinnen à la „Thelma & Louise“? Der Mainstream als Avantgarde in Sachen Familienplanung: Männer werden Mütter, Frauen Väter?

Immerhin wird neuerdings in der Traumfabrik an den strikten Rollenklischees gehörig gerüttelt. Frauen stellen die Mehrheit des US-Kinopublikums, sind überwiegend berufstätig und lassen sich mit dem Bild der fürsorglichen Mutter und treuen Gattin an der Seite des Helden kaum mehr abspeisen, erst recht nicht mit der Dämonisierung berufstätiger Karrieristinnen, wie sie das Kino der Achtziger noch betrieb. Was eine Hollywoodproduzentin einmal den „Hillary-Effekt“ nannte, zeitigt mittlerweile Ergebnisse: Die unabhängigen, bewaffneten, ja sogar bösen Frauen häufen sich auf der Leinwand. Kim Basinger mimte in „The Real McCoy“ eine High-Tech-Bankräuberin, die „Bad Girls“ schossen sich als Revolverheldinnen durch den Wilden Westen, Jodie Foster zockte in „Maverick“ die pokernden Kerle ab, und Geena Davis durfte in „Angie“ als ordinäre Rabenmutter schlechtes Benehmen an den Tag legen. Meryl Streep bewährt sich „Am wilden Fluß“ als Wildwasserkanufahrerin (Kinostart am 26.1.), Demi Moore macht sich in „Enthüllungen“ der sexuellen Belästigung ihres Kollegen Michael Douglas schuldig (Start am 5.1.), und Daryl Hannah wächst sich in „Angriff der 20 Meter Frau“ buchstäblich zur Riesin aus, als sie sich von Vater und Ehemann emanzipiert und ihren Frust nicht mehr brav zur Therapeutin trägt. Ihre Devise: „Ich habe versucht, modern und erwachsen zu sein und postfeministisch, und was hat es mir gebracht? Jetzt nehme ich die Dinge selbst in die Hand.“ Mit überdimensionaler Frauenpower packt sie, ein weiblicher King-Kong, ihren Macho-Gatten am Kragen, verpflanzt ihn zum Dinner auf einen Lastwagen und lehrt ihn Mores, sprich: die Grundzüge der Gleichberechtigung. Werbeslogan des Remakes eines 50er-Jahre- Science-Fictions: „Sie ist wütend. Sie ist stark. Sie ist unglaublich sexy.“ (Filmstart ebenfalls im Januar). Und nun mutiert auch noch Schwarzenegger zum männlichen Muttertier – was wollen wir mehr.

Neben der Häufung frappiert allerdings auch die Brachialgewalt, mit der Hollywood die Rollen zwischen Mann und Frau neu verteilt. Oder, wahlweise, der infantil alberne Ton. Gleichberechtigung, made in Tinseltown, ist entweder eine brutale oder eine komische Nummer. Noch taugen die „Bad Girls“ nur zur Klamotte. Die Gebärde der Emanzipation kommt so überzogen daher, daß Mißtrauen geboten ist. Was sich wie Zukunftsmusik ausnimmt, entpuppt sich als das alte Lied, modisch neu arrangiert. „Angie“ muß in letzter Sekunde doch dem Mutterinstinkt gehorchen. Meryl Streep und Kim Basinger bringen ihre Körperkräfte ausschließlich zwecks Rettung des Familienglücks zum Einsatz. Und Daryl Hannah bewirkt ihr Coming-out als 20-Meter-Frau nicht aus eigenen Kräften; das Selbstbewußtsein wird ihr von Außerirdischen mittels Laserstrahl eingeflößt.

Schwarzeneggers neuerlicher Ausflug ins Komödienfach bestätigt diesen Befund. Als verhärmter Wissenschaftler mit Brille und Krawatte macht er zunächst eine zwar verklemmte, aber seriöse Figur. Die Manipulation seines Hormonhaushalts führt nicht nur zur Feminisierung des Muskelpakets, mit dem Erwachen der Gefühle geht die Verblödung einher. Der schwangere Alex gibt mit seiner Männlichkeit auch seine Intelligenz ab, greint am Telefon, weil Larry nicht pünktlich zum Essen nach Hause kommt, winselt um Streicheleinheiten und weiß nicht, was er anziehen soll. Schwarzenegger steht nicht als Mann seine Frau, sondern verkörpert eine Karikatur des weiblichen Geschlechts, wie man sie sonst aus dem Herrenwitz kennt. Was die Hilflosigkeit betrifft, stellt sich Emma Thompson bei jeder Gelegenheit noch dämlicher an, so daß die Hierarchie im Geschlechterverhältnis ohnehin gewahrt bleibt. „Junior“ wurde teilweise parallel zu „True Lies“ gedreht und hatte im Vergleich zu Camerons Kassenschlager in den USA nur mäßigen Erfolg. Offenbar sieht das Publikum es eben doch lieber, wenn Schwarzenegger als omnipotenter CIA-Agent die berechtigte Lust seiner Frau auf einen Seitensprung mit brutalen Geheimdienstmethoden quittiert. Gegen solche Action hat das Bild vom Helden in Frauenkleidern vorerst keine Chance.

Junior“. Regie: Ivan Reitman, mit Arnold Schwarzenegger, Danny DeVito, Emma Thompson. USA 1994, 108 Min.

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