: Ohne UNO-Kontrolle geht nichts
■ Gespräch mit dem Sicherheitspolitiker der Grünen, Helmut Lippelt
taz: Die Bundesregierung probt den Ernstfall und will Truppen und Flugzeuge und anderes nach Bosnien schicken. Was machen die Grünen?
Helmut Lippelt: Wir werden den Einsatz in Jugoslawien ablehnen. Wir werden die Regierung fragen, warum sie uns einen Bären aufbinden will. Wir wissen inzwischen, daß die Behauptung, deutsche Tornados müßten in Bosnien eingesetzt werden, weil die vergleichbaren amerikanischen Maschinen am Golf gebunden sind, falsch ist. Tatsächlich haben am 21. und 23. November Flieger der amerikanischen Marine vier serbische Flugabwehrstellungen ausgeschaltet. Wir fragen, ob uns eine Art Tonking-Bay-Resolution [US- Zerstörer wurden im Golf von Tonking angeblich von nordvietnamesischen Seestreitkräften angegriffen. Diese Behauptung reichte dem US-Senat aus, der Bombardierung Nordvietnams zuzustimmen. Anm. d.Red.] abgepreßt werden soll.
Falls es nach dem Blauhelm- Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) noch politischen Spielraum gibt – werden die Grünen ihn durch eine Gesetzesvorlage präzisieren?
Das BVG beschreibt einen Kreis und sagt nur, jenseits dieser Linie wird es verfassungswidrig. Das heißt aber im Umkehrschluß nicht, daß alles innerhalb dieser Linie jetzt auch außenpolitisch gut und sinnvoll ist. Deswegen haben wir Herrn Rühe ja darauf hingewiesen, daß er noch eine Bringeschuld hat. Er soll jetzt erst einmal ein Entsendegesetz vorlegen.
Was müßte darin geregelt werden, und warum legen die Grünen nicht selbst eins vor?
Meiner Meinung nach sollte darin geregelt sein, daß Blauhelme, wenn es sie denn geben soll, nicht Bestandteil der Bundeswehr sein sollen, sondern extra ausgebildete Verbände. Auch sollte ein Einsatz der Blauhelme mit Zweidrittelmehrheit vom Bundestag beschlossen werden und nur zu friedenserhaltenden Maßnahmen in Frage kommen. Im Gegensatz zur Meinung des BVG, das den Übergang von friedenserhaltenden zu friedenschaffenden Einsätzen ja als fließend erklärt hat, kann ja zumindest die Anforderung von Seiten der UNO genau definiert werden. Grundsätzlich wollen die Grünen erst einmal alles jenseits militärischer Gewalt unterstützen. Da könnte man ja auch in Bosnien noch einiges tun.
Einmal unterstellt, diese Möglichkeiten sind ausgeschöpft. In welchem internationalen Zusammenhang soll die Bundeswehr eingebunden werden?
Für mich ist klar, daß die Nato keinerlei Alleingang machen darf. Innerhalb des Bundesverfassungsgerichts war ja umstritten, ob es ausreicht, wenn die Nato im Auftrag der UNO tätig wird. Die Grünen vertreten eindeutig die Auffassung: Ohne direkte Kontrolle der UNO geht sowieso nichts.
Gibt es einen gemeinsamen Gesetzentwurf von Grünen und SPD?
Nein, die SPD, jedenfalls ihre Außenpolitiker, tendieren in diesen Fragen viel eher zur CDU.
Die Grünen werden reagieren?
Ich denke, daß wir jetzt in der Tat gefordert sind. Aber es muß kein alternatives Entsendegesetz sein. Worum es geht, ist doch, daß innerhalb des großen Freiraums, den das Bundesverfassungsgericht gibt, eine sehr restriktive politische Doktrin formuliert wird. Interview: Jürgen Gottschlich
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