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Keine Bank, keine Arbeit

■ Grüne wollen Recht auf Girokonto per Gesetz / Halbe Million Menschen ohne Konto

Berlin (AP/taz) – Bündnis 90/ Grüne im Bundestag wollen ein gesetzlich verankertes Grundrecht auf ein Girokonto. Alle Personen müßten die Möglichkeit haben, zumindest auf Guthabenbasis am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilzunehmen, forderte die Abgeordnete Margareta Wolf- Mayer am Sonntag in Bonn. Eine Bankverbindung sei eine Grundvoraussetzung dafür, am beruflichen und sozialen Leben teilzunehmen.

Die Abgeordnete bedauerte, daß im Zuge der Privatisierung auch die Postbank ab 1. Januar 1995 sogenannte Problemfälle abweisen und sich unliebsamer Altkunden im Mahnverfahren entledigen könne. Für die Betroffenen eröffne dies einen Teufelskreis, der immer weiter in das soziale Abseits führe: keine Bankverbindung, keine Arbeit, keine Wohnung. Das treffe vor allem die wachsende Zahl von Langzeitarbeitslosen in den neuen Bundesländern. Erst kürzlich hatte die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) darauf hingewiesen, daß sozial und wirtschaftlich schwachen Menschen zunehmend die Konten gekündigt oder deren Eröffnung von vorneherein verweigert werde. Die AgV schätzte die Zahl der bundesweit Betroffenen auf mindestens eine halbe Million. Nach einem AgV-Gutachten müsse jeder Bundesbürger einen vom Gesetzgeber durchzusetzenden Anspruch auf ein „Mindestgirokonto auf Guthabenbasis“ haben, also ohne Überziehungsmöglichkeit. Dies ließe sich aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und dem Sozialstaatsprinzip ableiten. Das Girokonto sei ein „lebensnotwendiges Gut“.

Die AgV fordert vom Gesetzgeber eine entsprechende Klarstellung der Rechtslage. Niemand dürfe wegen fehlender Kreditwürdigkeit abgelehnt werden. Allerdings müsse auch nicht zwingend ein Kredit eingeräumt werden. Auch forderte die AgV die Bundesländer auf, ihre jeweiligen Sparkassengesetze zu präzisieren. Die Sparkassen beispielsweise in Nordrhein- Westfalen sind zwar per Satzung „verpflichtet, Girokonten für jeden zu führen“. Die Verpflichtung entfällt aber, wenn dies „nicht zumutbar“ sei. Die Entscheidung darüber kann ein Sparkassenangestellter nach eigenem Ermessen treffen. Für viele Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger ist es inzwischen schon schwierig geworden, ihr Arbeitslosengeld oder die Sozialhilfe zu bekommen. Die Ämter zahlen oft per Scheck – und dieser erfordert ein Konto.

Die SPD-Fraktion im Bundestag hatte schon 1991 gefordert, das Recht auf ein Girokonto solle gesetzlich verankert werden. Die Idee wurde damals nicht weiterverfolgt. BD

Kommentar Seite 10

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