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Die Haselnuß-Ampel von Kassel

Schwarz-braunes Bündnis: In Kassel schreiben die rechtsradikalen „Republikaner“ Stadtgeschichte und verabschieden zusammen mit CDU und FDP den Stadthaushalt 1995  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

„Die CDU ist nun einmal eine Partei, der wir in einigen Punkten, wenn auch nicht in allen, näherstehen als anderen. Ob das der CDU nun gefällt oder nicht.“ Christine Mey, Fraktionsvorsitzende der „Republikaner“ (Reps) im Stadtparlament von Kassel sprach während der Haushaltsdebatte am 12. Dezember aus, was in der nordhessischen Metropole – seit den Kommunalwahlen vom März 1993 – die Spatzen von den Dächern pfeifen. Eine (un-)heimliche Quasi-Koalition aus CDU und FDP auf der einen und dem Ehepaar Christine und Bernd Mey von den Reps auf der anderen Seite regiert die Stadt. Das rechtsradikale Paar sicherte denn auch in der entscheidenden Abstimmung dem CDU-Oberbürgermeister Georg Lewandowski den Haushalt für das kommende Jahr. Die Union und die FDP, so schäumten etwa die Bündnisgrünen nach der Haushaltsverabschiedung, hätten damit die Stadt „der Lächerlichkeit preisgegeben“ und sich bewußt in die Abhängigkeit von den Reps begeben.

Es habe keine Absprachen mit den Reps gegeben, versicherte dagegen OB Lewandowski nach der gewonnenen Haushaltsabstimmung. Doch Stadtverordnete von SPD und Bündnisgrünen berichteten übereinstimmend vom „breiten Grinsen“ auf den Gesichtern der Kollegen aus den Reihen der CDU. Peinlich sei denen das nicht gewesen, sagte Volker Schäfer (Bündnisgrüne) im Gespräch mit der taz. Und sein Kollege Jo Dreiseitel nannte das Verhalten von Union und CDU „pharisäisch“: „In Sachsen-Anhalt regt sich die CDU tierisch über die Minderheitsregierung aus SPD und Grünen auf, weil die Koalition dort auch die Unterstützung durch die PDS in Kauf nehmen würde. In Kassel nehmen CDU und FDP dagegen ganz ohne Skrupel die Unterstützung durch die Reps in Kauf.“ Schon vor der skandalösen Haushaltsverabschiedung habe es diverse Fälle von indirekter Zusammenarbeit zwischen CDU, FDP und Reps gegeben. Mit Unterstützung durch die Reps wolle vor allem die CDU die „Axt“ an das soziale Fundament der Stadt legen, befürchten SPD und Grüne, die der Union – nach eigenen Angaben – wiederholt die Zusammenarbeit angeboten haben. CDU und FDP verfügen im Stadtparlament über 34 Sitze, SPD und Bündnisgrüne über 33 – und die Reps sind mit ihren zwei Stimmen das Zünglein an der Waage. Einem Antrag der Reps hat die CDU zwar noch nicht direkt zugestimmt. Doch die Union griff in der Vergangenheit Anträge der Reps auf und brachte sie in modifizierter Form wieder ein. So etwa liegen der Stadtverordnetenversammlung zur Freude der Reps Anträge der CDU auf Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes, zum Heranziehen von Sozialhilfeempfängern für gemeinnützige Arbeiten und auf Datenabgleich zwischen Sozialamt und KfZ-Zulassungsstelle vor. „Rasterfahndung gegen sozial Schwache“ nennt Dreiseitel den inzwischen auch von Datenschutzbeauftragten als „Rechtsverstoß“ gewerteten Versuch der CDU, den Armen auch noch „den letzten Halm“ abzuschneiden. Obgleich auch die Kirchen gegen diese Form der „Haushaltskonsolidierung“ auf dem Rücken der sozial Schwachen intervenierten, war die Union nicht bereit, die Anträge zurückzuziehen. Die Reps haben bereits Zustimmung signalisiert. Und mit der Verabschiedung des Haushaltes 1995 wurden die entscheidenden Weichen gestellt. Für Volker Schäfer sind die Reps in Kassel ein „besonders bigotter Verein“. Eine „kleine kriminelle Vereinigung in Anführungszeichen“ nennt der Bündnisgrüne das rechtsradikale Ehepaar, denn beide Reps seien vor ihrem Einzug in das Stadtparlament im Rotlichtviertel von Kassel aktiv gewesen.

Weil in der Lokalpresse nach der Haushaltsverabschiedung durch CDU, FDP und Reps ein Sturm der Entrüstung losbrach, unterbreitete der CDU-Fraktionschef Aloys Zumbrögel den anderen demokratischen Parteien kurz vor Weihnachten ein „Angebot auf Gespräche über eine Zusammenarbeit“ im neuen Jahr. Doch Zumbrögel packte seinem „Angebot“ nach der Haushaltsverabschiedung so viele schwarze Knackpunkte bei, daß bei den Bündnisgrünen schon wieder von einem „Affront“ gesprochen wurde.

Da bleibt wohl nur die Hoffnung auf die nächsten Kommunalwahlen im Jahre 1997.

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