: Frankreich auf der Suche nach „Sicherheit“
■ Justiz will Komplizen der Airbus-Luftpiraten ermitteln / Polizeiaktionen „in diesen oder jenen Kreisen“ zu erwarten / Flugverkehr mit Algerien eingestellt
Paris/Berlin (dpa/AFP/taz) - Die französische Justiz sucht nach der blutig beendeten Entführung einer Air-France-Maschine jetzt nach möglichen Komplizen der vier getöteten algerischen Luftpiraten. Mit den Untersuchungen wurde, wie gestern aus Justizkreisen verlautete, der Terrorismus- Ermittlungsrichter Jean-Louis Bruguiere beauftragt.
Der erste Teil seiner Arbeit werde darin bestehen, die Aussagen der Passagiere auszuwerten, hieß es. Die Verhöre der befreiten Geiseln, die sich 54 Stunden in der Gewalt eines Kommandos der Bewaffneten Islamischen Gruppe (GIA) befunden hatten, wurden gestern fortgesetzt. Zur Identifizierung der vier Geiselnehmer wurden Fingerabdrücke zum Vergleich nach Algier geschickt. Als Anführer des Kommandos gilt Abou Abdallah Yahia, der in Algerien gesucht wird.
Zu eventuellen Polizeiaktionen „in diesen oder jenen Kreisen“ in Frankreich, werde es erst „im Lichte der Ermittlungsergebnisse“ kommen, hieß es in Justizkreisen. Erst Anfang November hatte die französische Polizei ein Waffenversteck in der Region von Paris „ausgehoben“ und 77 Menschen festgenommen, denen vorgeworfen wurde, die GIA zu unterstützen. Zwei weitere Großrazzien hatte es im November 1993 und im August 1994 gegeben, jeweils nach Mordanschlägen auf Franzosen in Algerien. 20 angebliche Sympathisanten der GIA waren nach Burkina Faso in Westafrika abgeschoben worden.
Die rund 35.000 algerischen Bewohner der südfranzösischen Hafenstadt Marseille hingegen fürchten nach dem Geiseldrama selbst um ihre Sicherheit. Eine lokale Einwandererorganisation forderte die französische Regierung gestern zu wirksamen Sicherheitsmaßnahmen auf. „Es muß vermieden werden, daß die Algerier in Frankreich ebenso zu Geiseln der Gewalt werden, wie in ihrem eigenen Land“, heißt es in ihrem Aufruf.
Den Flugverkehr mit Algerien hat Frankreich bis auf weiteres eingestellt. Die angestrebten Sicherheitsverbesserungen hingen aber im wesentlichen vom guten Willen der algerischen Regierung ab, hieß es gestern in Paris. Die Entscheidung der französischen Regierung, den Frachtverkehr mit Algerien auf dem Seewege wiederaufzunehmen, wurde am Mittwoch vom Verband der Handelsmarineoffiziere kritisiert. Er forderte, Algerien und den Magreb zur Gefahrenzone zu erklären, wie dies während des Golfkrieges mit dem Irak für die Golfregion geschehen sei. Außerdem wurde kritisiert, daß die Regierung nicht mitgeteilt habe, welcher Art die „zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen“ sein sollten. kim
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