piwik no script img

■ Ürdrüs wahre KolumneBesser zum Dackel umgeschult?

Reisen bildet. Und führt den Schnäppchenjäger auch nach Nürnberg, wo der Herr Metzen eine Perle seiner Einkaufsstättenkette „Teures – billig“ unterhält: Eine Gemischthandlung, gegen die Rudis Resterampe als hochspezialisiertes Fachgeschäft erscheint. Für drei Mark gibt es dort Uniformhosen und -jacken aus den Konkursmassen der Roten Armee, für fünf Groschen gibt es „sechs Stück Likoer Stamper“ aus dem VEB Goldring. Und mit einem Heiermann ist dabei, wer ein „Pannenset für Kraftfahrer“ erwerben möchte. Das Schönste aber ist ein echter Rolls Royce aus der Privatsammlung von Luxusmobilen des Besitzers dieser Ladenkette „in den tollsten Städten Deutschlands und in Lloret de Mar/ Spanien!!!“: Aufgestellt im Zentrum der Verkaufsstelle als stolzes Monument unternehmerischen Erfolgs strahlt sein Glanz auch auf die Kunden dieses Hauses ab, die solch unverhüllten Reichtum möglich machen. Sowas sollte die Wirtschaftsförderung mal nach Bremen holen als kühne Vision des Erfolgs, aus dem Geringsten Werte zu schaffen.

Nach dem Familiengottesdienst zu Heiligabend in der Waller Dorfkirche raunt eine Zehnjährige ihrer Oma zu: „Wenn du mir zwei Mark gibst, für Brot für die Welt, dann kann ich mein Geld behalten und noch zwei Zigarren für Opa zu Weihnachten kaufen.“ Darauf Oma: “Schmeiß das Geld lieber in den Beutel, das ist besser für Opa!“ Jaja, das Raucherbein des einen – kann es nicht zum Brot des anderen werden?

Irgendwann wird in den Zeitungen vielleicht ein Nachruf auf Dieter Kirchner zu lesen sein. Dietrich Kirchner, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Und falls sein Ableben so unerwartet und so schmerzlich und den Rechtstaat herausfordernd sein sollte, wie einst beim Funktionärskollegen Schleyer, so meißele man dem Verschiedenen diesen Sinnspruch in den Grabstein, mit dem Kirchner jetzt das Programm „Wohlstand 2000“ einläutete: „Je mehr oder je weniger Lohnerhöhung, desto mehr oder weniger Arbeitslose.“ Bitte vormerken!“

Verkaufsrekorde meldet der SV Werder aus dem Weihnachtsgeschäft: Wurden 1993 insgesamt 30.000 Mark im Bereich Werder-Bettwäsche umgesetzt, gingen heuer rund 300.000 Mark für grün-weiße Laken über den Tisch. Alles Penner, diese Fans! Bettnässer .

In einer Zeit, da auf dem Balkan die Waffen klirren, mag sich mancher freuen über das Angebot des Bellotel Suderwalde („Fünf Sterne für vier Pfoten“). Weil das beste für Waldi gerade gut genug ist, bietet diese Hunde-Herberge in Frauchens Anwesenheit „den persönlichen Service, der zu jedem ausgezeichneten Hund gehört: Liebevolle Betreuung, individuelle Speisepläne, Körperpflege und Trimmeinrichtung, absolute Alleinlage.“ Lassen sie das bitte nicht die sozialneidischen Obdachlosen wissen, die von der neuen Bahn jetzt endgültig aus den Wandelhallen vertrieben werden. Die schulen sonst alle auf Dackel um! (P.S: Babylon must fall...)

Was noch? Juten Rutsch! Früher hieß das ja unter uns schon mal: „Das Alte nun zuende geht, das Neue kommt, schlag zu Prolet. Und immer schön fröhlich bleiben...

Ulrich Reineking-Drügemöller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen