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Trennscheiben soll es nicht mehr geben

■ Nach der Umwandlung der Post in eine Aktiengesellschaft soll es künftig am Schalter kundenfreundlicher zugehen, zugleich aber droht eine weitere Schließung von Ämtern und der Abbau von Personal

Seit gestern sind die Telekom, Postdienst und Postbank in Aktiengesellschaften umgewandelt. Doch bis die Aktien den Investoren kräftige Dividenden abwerfen, wird sich – vor allem beim Postdienst – noch einiges tun. Auf dem Weg von einer verschlafenen Behörde zu einem windschnittigen Großunternehmen stehen in Berlin etliche Veränderungen an.

So sollen die derzeit 173 Postfilialen durch Einführung eines sogenannten „open service“ kundenfreundlicher gemacht werden. Die Postschalter mit Glastrennscheibe werden Stück für Stück durch „offene Thekenlandschaften“ ersetzt und in den „open service“-Ämtern werden „Post-shops“ aufgemacht, die auch Papier, Bleistifte und Briefumschläge anbieten sollen.

Neben diesen, eher erfreulichen, Änderungen soll es auch umfangreiche Kürzungen geben. Denn die Gebührenerhöhungen der letzten Jahre, der Wettbewerb durch private Kurierdienste und der Umstieg vieler ehemaliger Kunden auf Fax und E-Mail haben die Postschalter immer unattraktiver gemacht. Eine im Spätsommer angelaufene Neubemessung der Schaltertätigkeit offenbarte so „Verkehrsmengenrückgänge“ von 18 Prozent im Westen und 30 bis 40 Prozent im Osten Berlins. Als Reaktion auf das Gutachten kündigt die Direktion Postdienst Berlin jetzt „Organisationsanpassungen“ und weitere „Optimierungen des Filialnetzes“ an. „Optimierung des Filialnetzes“ ist in der Vergangenheit immer wieder ein Synonym für die Schließung von Postämtern gewesen. Nachdem die Ämterzahl in den letzten zwei Jahren bereits um 42 auf 173 reduziert wurde – vor allem im Ostteil der Stadt wurden Ämter dichtgemacht, könnte Berlin 1995 eine weitere Schließungswelle bevorstehen. Wo Postkunden sich in Zukunft an schicken Thekenschaltern und größerem Dienstleistungsangebot freuen können, werden sich viele also gleichzeitig über längere Wege zu den übriggebliebenen Postämtern ärgern müssen.

Die Anpassung der Ämterzahl an die Statistik könnte sich dabei für die Postdienstdirektion problematisch gestalten. Denn die logische Folge von Ämterschließungen wäre ein entsprechender Personalabbau. Da die Schalterangestellten im Westen Berlins aber fast alle bereits verbeamtet sind, können sie nicht so leicht entlassen werden. Offizielle Konzepte zur Lösung dieses Problems sind bis jetzt nicht bekannt. Ein Ausweg aus dem Dilemma, den auch der Pressesprecher der Direktion Postdienst „in der Tendenz“ nicht ausschließen will, könnte eine drastische Reduzierung der Öffnungszeiten bei einzelnen Postämtern sein. Es könnte ab 1995 also durchaus vorkommen, daß Ämter später öffnen, früher schließen oder über Mittag ganz zumachen. Auch eine weitere Reduzierung des Personalbestandes oder eine Schließung von Ämtern sei möglich.

Damit bestätigt er indirekt die Ängste der Postgewerkschaft. Sie befürchtet, daß mit weiteren Ämterschließungen, Verkürzungen der Öffnungszeit und Personalabbau eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, die sich immer mehr als Spirale nach unten erweist. Denn bei reduzierten Öffnungszeiten wanderten noch mehr Kunden ab, damit würde die Auslastung der Postämter noch schlechter, was zu weiteren Entlassungen führe. „Und am Ende macht man den Laden ganz zu und vergibt das Ganze an private Agenturen“, befürchtet Michael Klein, Sprecher der Postgewerkschaft.

Nicht nur beim Schalterdienst soll gespart werden. Umfangreiche Rationalisierungen kommen aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf Postboten, Paketdienst und Briefeingangsämter, in denen die Briefe sortiert werden, zu. Allein im Briefzustelldienst rechnet die Gewerkschaft mit etwa 200 Stelleneinsparungen.

Die Eingangsämter, in denen die Post sortiert wird, sollen in stark maschinell betriebene Briefzentren umgewandelt werden. Dort sollen in Zukunft fast nur noch Teilzeitarbeitskräfte arbeiten. Der „Technisierungsgrad“ soll von 30 auf 60 Prozent hochgetrieben werden, so daß auch dort Arbeitsplätze wegfallen. Wie dieser ganze Personalabbau am Ende bewerkstelligt wird, ist dabei noch völlig unklar. Vereinbarungen werden erst von den anstehenden Tarifverhandlungen erwartet. Matthias Bernt

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