: Reden in Muttersprache
■ Kurde, der in U-Haft sitzt, hat nur einen türkischen Dolmetscher zur Seite
Frankfurt/Main (taz) – Ein kurdischer Untersuchungshäftling soll einen Anspruch auf einen Dolmetscher seiner Sprache bekommen. Das hat der Multikulturdezernent der Bündnisgrünen, Daniel Cohn- Bendit, gefordert. Bei dem einsitzenden Mann handelt es sich um den Ex-Vorstandsvorsitzenden des Kurdistan-Zentrums in Frankfurt/Main. Bei Verwandtenbesuchen steht ihm nur ein türkisch sprechender Dolmetscher zur Seite. Dialoge zwischen ihm, dem die Bundesanwaltschaft die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (der kurdischen PKK) vorwirft, und seinen BesucherInnen auf kurdisch würden vom die Gespräche überwachenden Justizvollzugsbeamten auf Zeichen des türkischen Dolmetschers hin sofort unterbunden.
Für Cohn-Bendit ist es „geradezu beschämend“, wie die Bundesanwaltschaft in „schikanöser und demütigender Art und Weise“ dem Kurden und seinen unbescholtenen Familienangehörigen über ein Muttersprachenverbot das Recht auf Volkszugehörigkeit und Integrität verweigere: „Bundesanwaltschaft und Bundesgerichtshof sollten sich doch zu schade sein, als Erfüllungsgehilfen der anmaßenden Ansprüche des türkischen Staates gegenüber den Kurden zu fungieren.“ Cohn-Bendit forderte beide Institutionen auf, zu Recht und Gesetz zurückzukehren und dem kurdischen Untersuchungsgefangenen in Gesprächen mit seinen Landsleuten und Angehörigen einen kurdischen Dolmetscher zur Seite zu geben – „wie es von jeher gehandhabt worden ist“. Der Anwalt des Häftlings, Bremer, hat inzwischen eine sogenannte „Gegenvorstellung“ gegen die von einem Richter am Bundesgerichtshof abgesegnete neue Verfahrensweise der Bundesanwaltschaft eingelegt. Sollte diese Gegenvorstellung nicht den gewünschten Erfolg zeitigen, will Bremer Verfassungsbeschwerde einlegen. Das Verbot, in seiner Muttersprache zu reden, verstoße gegen die im Grundgesetz garantierten allgemeinen Menschenrechte, sagte er gegenüber der taz.
Man habe es beim Bundesgerichtshof Ende Dezember 1994 für „zumutbar“ erachtet, daß der Inhaftierte mit seinen BesucherInnen ausschließlich in türkischer Sprache zu kommunizieren habe. Es habe auch einen Verweis auf die „Schwierigkeiten“ des LKA in Hessen gegeben, einen kurdisch sprechenden Dolmetscher zu finden – eine für Bremer „geradezu lächerliche“ Begründung. Selbst bei allen großen Verfahren gegen Kurden, wie zuletzt in Düsseldorf, seien kurdische Dolmetscher zugelassen gewesen. Klaus-Peter Klingelschmitt
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