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Die UNO verläßt ihre Festung

■ Gut zwei Jahre nach der Invasion und nach vielen peinlichen Pannen wird das UNO-Hauptquartier in Somalia aufgegeben

Berlin/Mogadischu (taz/wps) — Drei Monate vor ihrem erwarteten vollständigen Rückzug aus Somalia versucht die UNO-Blauhelmmission in dem ostafrikanischen Land, sich unsichtbar zu machen. Ihr Hauptquartier im Zentrum der Hauptstadt Mogadischu, in dem sich noch 9.000 Soldaten und 50 zivile Mitarbeiter befinden, wird die UNO bis zum 15. Januar räumen.

Das UNO-Hauptquartier war bisher eine riesige, festungsartige Kommandozentrale und der somalischen Außenwelt oft nur schwer zugänglich. Seinen Kern hat es im Gelände der US-Botschaft in Somalia, die mit dem Einmarsch von US-Truppen im Dezember 1992 zur Militärzentrale der Interventionstruppe wurde. Nachdem die UNO im Frühjahr 1993 das Kommando übernahm und gegen Milizenführer Farah Aidid zu kämpfen begann, requirierten die Blauhelmtruppen auch benachbarte Grundstücke, auf denen sich die Universität, das einstige Viehministerium und eine dazugehörige Lederfabrik befanden. 700 Flüchtlinge, die im Ministerialgebäude lebten, wurden von der UNO vertrieben. Um das Gelände herum entstanden Gräben, Stacheldrahtzäune und Flutlichter.

Innerhalb dieser Festung herrschte aber keineswegs immer militärische Ordnung. Bereits Ende 1993 stellten entnervte UNO-Rechnungsprüfer fest, daß schon 13,4 Millionen Dollar spurlos verschwunden waren. Und obwohl Somalia eher trocken ist, brachte es die UNO fertig, ihren Keller per Regenguß vollaufen zu lassen, was somalische Banknoten im Wert von 76,667 US-Dollar zerstörte. Im April 1994 stahlen Diebe frische 100-Dollar Scheine im Gesamtwert von 3,9 Millionen US- Dollar, die gebündelt in einem Pappkarton im Kassenraum lagen. Daraufhin wurde der kanadische Verwaltungschef Douglas Manson entlassen. „Über hundert Zivilisten, Militärs und Vertragspartner können jeden Tag leicht sehen, wo das Geld aufbewahrt wird“, hatten zuvor die UNO-Prüfer gerügt. „Die Tür des Kassenraums ist so schlecht installiert, daß man sie in Sekundenschnelle mit einer Plastikkarte öffnen kann, auch wenn sie verschlossen ist.“

Nicht zufällig war das Hauptquartier einer der begehrtesten Arbeitsplätze Mogadischus. Wenn die UNO nun auszieht, wird nicht nur das Gelände Plünderern offenstehen. Auch die UNO-Präsenz in Mogadischu geht zu Ende: Die UN-Soldaten ziehen sich in den Flughafen und den Hafen zurück, Hilfskonvois in der Stadt bleiben ungeschützt. Dabei haben Kämpfe zwischen rivalisierenden Milizen allein seit Samstag in Mogadischu elf Tote gefordert, das wichtige Digfer-Krankenhaus kann wegen Stromausfalls die Hunderten Verletzten nicht versorgen, und die Auseinandersetzungen nähern sich den zukünftigen Quartieren der UNO-Soldaten. Die UNO ist aber bestens vorbereitet: Sollten sich die Kämpfe auf den Flughafen ausdehnen, so jetzt ein ziviler UNO-Mitarbeiter, könne das gesamte Zivilpersonal per Flugzeug evakuiert werden. D.J.

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