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Konkursrichter haben Hochkonjunktur

■ 19.000 Betriebe mußten im letzten Jahr in Deutschland aufgeben / Dieses Jahr wird sogar noch härter / Das DIW sieht Risiken für den Konjunkturaufschwung / Bruttoinlandsprodukt von zwei Prozent erwartet

Berlin (dpa/taz) – Noch nie gab es soviele Pleiten wie heute. Mit rund 19.000 Unternehmens-Insolvenzen hat die deutsche Wirtschaft im letzten Jahr die meisten Firmenverluste der Nachkriegszeit hinnehmen müssen, hat das Wirtschafts-Informationsunternehmens D&B Schimmelpfeng errechnet. In Westdeutschland sind rund 14.950 und in den neuen Bundesländern mehr als 4.000 Unternehmen der Wirtschaftskrise zum Opfer gefallen. Damit ist die Zahl der Konkurse in einem Jahr um 25 Prozent gestiegen.

Die Tendenz wird anhalten. Auch in diesem Jahr geht es mit vielen Firmen bergab und mit der Pleitenkurve bergauf, glaubt Schimmelpfeng. 22.000 Betriebsleiter müssen dieses Jahr beim Konkursrichter vorsprechen, prognostiziert das Informationsunternehmen.

Den Schaden aufgrund der Insolvenzen in West- und Ostdeutschland veranschlagt Schimmelpfeng auf rund 34 Milliarden Mark. Der volkswirtschaftliche Schaden dürfte sogar mehr als 70 Milliarden Mark betragen, weil zum finanziellen Verlust der Gläubiger ein erheblicher Aufwand der öffentlichen Hände und der Sozialversicherer komme: Einbußen bei Steuern und Sozialabgaben, Konkursausfallgeld, Arbeitslosenunterstützung und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Auch das Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin mag nicht ungebrochen in den Jubel über das Ende der Rezession einstimmen. Trotz einer verbesserten wirtschaftlichen Lage bestehe kein Anlaß zur Zufriedenheit: 1994 sei es nicht gelungen, die Weichen für einen langanhaltenden, investitionsgetragenen Aufschwung und für einen durchgreifenden Abbau der Arbeitslosigkeit zu stellen.

Das Bruttoinlandsprodukt wird nach DIW-Einschätzung in diesem Jahr um zwei Prozent wachsen. Damit liegen die Berliner unter den Prognosen anderer Institute, die 3 oder 3,5 Prozent erwarten. In der Lohnpolitik empfiehlt das DIW einen Abschluß bei drei Prozent, mittelfristig bei vier Prozent.

Der konjunkturelle Umschwung 1994 sei eine Reaktion auf die unerwartete Wende der Zinsentwicklung am Kapitalmarkt gewesen, glauben die Berliner Wissenschaftler. „Das Ergebnis dieser Zinswende in Form hoher Nominal- und Realzinsen ist aber zugleich eine enorme Hypothek für die nächsten Jahre.“ In Deutschland habe der Nominalzins mit 7,5 Prozent zur Jahreswende ein Niveau erreicht, das bisher jeweils kurz vor Beginn einer konjunkturellen Abschwächung erreicht worden sei. Es drohe eine schwache Expansion oder gar ein frühes Ende des Aufschwungs.

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