: Gewisse politische Ausrichtung fehlte -betr.: Sylvesterrandale
Betr.: Silvesterrandale
Seit genau zehn Jahren gibt es an Sylvester im Viertel Randale, und das war in diesem Jahr, trotz gewisser„Integrationsbemühungen“ von Polizei-,
Regierunngs-und Geschäftrsleuteseite, wieder genau so der Fall. Wir möchten an dieser Stelle zu den Ereignissen jener Nacht Stellung nehmen:
Schon im Vorfeld wurde von offizieller Seite jeglicher möglicher und herbeigeredeter Krawall von vorneherein entpolitisiert. Polizei und Medien ließen in wohlvernehmlichen Einklang verlauten, daß die, die den Krawall machen, entweder besoffen sind oder zumindest Kids, die nicht wissen, was sie tun. Auf der anderen Seite gäbe es dann noch die handvoll Autonome (oder „Chaoten“ - je nach propagandistischer Ausrichtung), denen es, offenbar aus Selbstzweckgründen, um Krawall geht ohne einen irgendwie gearteten, konkreten politischen Hintergrund. Dies ist zum größten Teil natürlich nicht der Realität entsprechend. Sicher, gab es zuviele Leute, die ohne politisches Bewußtsein ihre persönliche Randale durchzogen - die zerstörten Scheiben der kleinen EinzelhändlerInnen (Ausnahme:Yuppisierungsaufmacher Caesar und die zwar kleinhändlerischen, aber dennoch mörderischen Schlachter) gingen ganz klar auf deren Konto. Dies dürfte auch jedeR, die/der sich schonmal etwas mit linksradikaler Politik auseinandergesetzt hat von vorneherein klar gewesen sein. Warum, wie in der taz höhnisch aufgegriffen, nicht Banken oder Supermärkte angegriffen wurden (als wenn die tazlerlnnen das begrüßenswert gefunden hätten) hängt, ganz profan mit dem entsprechenden Polizeiaufgebot vor eben jenen großkapitalistischen Objekten zusammen. Problematisch waren allerdings auch die Angriffe auf „Zivilcourage“ (jetzt auch gegen links??) beweisende Aktivbürgerlnnen, denen sicher eine Auseinandersetzung nicht hätte verwehrt werden dürfen, jedoch nicht mit Faust oder Flasche. Hier hat auch im Einzellfall jemand aus der autonomen Szene zugeschlagen, ein Verhalten, das wir so nicht unterstützen können. Ebenso haben wir Probleme mit dem Anzünden von Privatwagen, da auf diese Weise kaum Art der Aktion noch Ziel der Randale vermittelt werden können. Solange also eine Diskreditierung einer autonomen politischen Ausrichtung durch irgendwelche Iditoten, für die Krawall Selbstzweck ist, durch uns nicht verhindert werden kann, sollte auf einen solchen, zweifelhaften Anlaß (der eigentlich ja auch keiner ist) verzichtet werden. Linksradikele Politik läßt sich unserer Meinung nach im Umfeld von Böllern und Alk auch nur sehr schwer verwirklichen... Entscheidend versäumt wurde von autenemer/linksradikaler Seite (und dazu zählen wir uns auch) eine vorher dargestellte Erläuterung politischer Gründe für eine gewisse (zielgerichtete) Militanz. Diese Gründe verlaufen auf drei Ebenen: a)Viertel-Umstrukturierung(Gentrification)hin zu einer Konsummeile und damit einhergehndes Abdrängen von Marginalisierten (z.B.Junkies) b) die politischen Ereignisse in Bremen im letzten Jahr (Buntentorräumung, Siellwallhausstürmung u.ä.zum 3.10., Abschiebungen, Einrichtung einer Soko gegen links, Kriminalisierung von linkem Widerstend und das übliche). Eine Randele im Viertel ist von ihrer Ausrichtung nicht nur auf dieses bezogen. All diese Gründe wurden von offizieller Seite totgeschwiegen, von autonomer Seite leider nicht deutlich gemacht, weder durch vorhergehende Aufklärung, noch durch eine gewisse politische Ausrichtung der Randale. Wir als Autonome müssen uns selbst gestehen, daß Redikalität nicht mit Militanz verwechselt werden darf. Sicher gibt es immer Grund genug fur einen spontanen, auch militanten, sozialen Protest, doch ist er hier fehlgeschlagen, da er in seiner Eigendynemik isoliert blieb. Auf der anderen Seite ist das ofizielle Prinzip von „Zuckerbrot und Peitsche“ (Polizeifest) natürlich fur uns unakzeptabel und war schließlich euch ein ziemlicher Reinfall. Es ging übrigens zu keiner Zeit darum, das „Fest“(Saufbude und'n bißchen Mucke) zu stören oder deren Besucher Innen anzugreifen. Auf der anderen Seite überwachten allerdings Zivilpolizisten des Geschehen und waren allgegenwärtig. Kein nettes Konzept von einer Feier. In mindestens einem Fall ist übrigens auch das Agieren eines Polizei- Provokateurs belegt (“Jetzt geht's los!“, brüllend Leute aufwiegeln und einem dann mit dem Tonfa in die Fresse schlagen...). Es wird nur wieder einmal deutlich daß eine wirkliche Auseinandersetzung über Inhahlte nicht gewünscht ist und wahrscheinlich aus systemimmanenten Gründen auch kaum stattfinden wird. Stattdessen wird das Fest auf der Kreuzung zu einem polizeitaktischen Mittel. Das müssen wir uns nicht gefallen lassen.
Ein Überdenken autonomer Positionen und der Aussagekraft von Randale in so einem Zusammenhang muß für uns jetzt aber trotzdem ein Thema sein. In diesem Sinne wäre es auch wünschenswert, wenn die taz von ihrem Gehätze in Zukunft Abstand nimmt und versucht auf eine ansatzweise konstruktive Ebene zurückzufinden. Und an andere autonom-denkende Menschen die Aufforderung: Laßt uns unsere eigene Politik einmal überdenken und im Bezug aufs nächste Sylvesterfest auch ruhig mal auf bloße Rituale verzichten.... die kinder von bock & polloch
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