: "Medaillen müssen kommen"
■ Vier Monate vor der WM weiß Handball-Bundestrainer Arno Ehret, daß Erfolg "weniger über individuelle Akzente" als über "Mannschaftsleistung" kommen kann
Zweimal gewonnen (gegen Ägypten), zweimal in Island verloren, zuletzt am Sonntag mit 21:22 – vier Monate vor der Handball-WM in Island hält Arno Ehret seine Abwehr zwar für „solide“, aber, sagt er: „Im Angriff gibt es noch sehr viel Arbeit.“ Der Bundestrainer muß sich aber nicht allein mit den Verletzungen von Leistungsträgern herumschlagen, die gesamte Branche hängt etwas durch. Ehret (41), Realschullehrer für Sport und Mathe, einst „bester Linksaußen der Welt“ erzielte in 112 Länderspielen 468 Tore, war zweimal Bundesligatorschützenkönig und Mitglied der Weltmeistermannschaft von 1978. Nun soll er alles richten: den schwindenden Nachwuchs organisieren, der Sportart, über die Zeitgeist und Medien schmählich hinweggezogen sind, alten Glanz zurückgeben und nicht zuletzt an einstige sportliche Erfolge anschließen. Doch das wird nicht einfach: Einerseits hatte man zwar „auch Glück“, aber da war auch noch mehr: „Es steht in den Sternen“, sagt Arno Ehret, „ob wir diese Stabilität von damals wieder erreichen.“
taz: Vor Weltmeisterschaften steigt der Erwartungsdruck. Wir kennen das vom Kollegen Vogts, der dann noch mehr als üblich zu verkrampfen pflegt. Wie ist das bei Ihnen?
Arno Ehret: Wer als Trainer im Spitzenbereich arbeitet, freut sich über Erwartungen und Herausforderungen. Das ist doch der Reiz an diesem Job.
Immerhin will DHB-Präsident Bernd Steinhauser das deutsche Team „nachhaltig und stabil“ in der Weltspitze etablieren.
Das ist die Zielsetzung und die Herausforderung, die wir wollen.
Das deutsche Spiel ist eher durch Kraft geprägt als durch Kreativität und Spielwitz.
Wir sind auf dem Weg, spielerisch besser zu werden. Wir sind ein Team, das die Tore sehr viel über Mannschaftsleistung und wechselseitiges Spielverständnis erzielen muß. Wir werden weniger über die individuellen Akzente der einzelnen Spieler Erfolg haben können. Wir müssen uns gemeinsam den Torerfolg erspielen.
Fehlen Ihnen Spielerpersönlichkeiten, die in heiklen Situationen Verantwortung übernehmen?
Zum Thema Spielerpersönlichkeiten: Wann nimmt man Leute wahr? Wenn sie Erfolg haben. Dann attestiert man ihnen auch Persönlichkeit. Diese Mannschaft hat bisher gezeigt, daß sie gut und stabil ist. Aber das, was in Deutschland als Erfolg wahrgenommen wird – Medaillen oder Vergleichbares –, hat sie noch nicht erreicht. Das muß halt noch kommen. Dann wird man auch die Persönlichkeiten herausstellen, die den Erfolg erzielt haben.
Erfolg ist Voraussetzung für Medienecho und Sponsoreninteresse. Früher kam man gleich hinter Fußball.
Ach, der Fußball war schon immer eine Kategorie für sich.
Aber mittlerweile schieben sich andere munter dazwischen.
Das gesamte Freizeitverhalten hat sich verändert – durch den Medienmarkt auch international. Früher wäre der Transfer zum Beispiel des Basketballs aus den USA gar nicht denkbar gewesen. Aber Handball hat nach wie vor eine stabile Position. Von Zuschauerzahlen und Einschaltquoten her sind wir im sogenannten Soll.
Ihr Präsident sieht dennoch Professionalisierungsbedarf; von der „inneren Einstellung“ bis zur Zusammenarbeit mit den Vereinen. Sie werden als solider Fachmann gehandelt; sind Sie ein Teil der Professionalisierungsstrategie?
Das ist natürlich eine Frage der Persönlichkeit. Ich verstehe den Job als Mithelfer für die Spieler, als jemand, der zur Koordinierung und Strukturierung beiträgt. Ich muß die Bahnen weisen, in denen die Spieler ihre persönlichen Qualitäten am besten ausspielen können, damit die Mannschaft Erfolg hat. Insofern steht die Mannschaft im Vordergrund.
1978 standen Sie in der Weltmeistermannschaft. Was war damals stark? Wo liegen heute die Defizite?
Wir haben natürlich nie damit gerechnet, Weltmeister werden zu können.
Das ist heute auch so.
Na ja, wir wußten, welche Qualitäten wir hatten und daß wir nach vorne kommen könnten. Wir hatten damals auch das berühmte Quentchen Glück: Wir haben das Endspiel mit zwei Unentschieden, knappen Spielen und zum Teil Zufälligkeiten erreicht. Und das wurde nicht ohne Zittern gewonnen, obwohl es eines der souveränen Spiele war. Es steht in den Sternen, ob wir diese Stabilität von damals wieder erreichen. Wir hatten das Glück, drei Jahre immer in der gleichen Besetzung und ohne Verletzungen zu spielen. Das ist nicht vergleichbar mit heute.
Was sind Tests wie die in Hessen und in Island bei all den Ausfällen überhaupt wert?
Es kommt immer darauf an, wer ausfällt. Wenn Spieler ausfallen, die noch nicht lange dabei sind, ist das dramatischer. Aber ein Volker Zerbe kennt die Abläufe und ist in der Ein- und Abstimmung schon drin. Wenn so jemand ausfällt, fällt das nicht so ins Gewicht, als wenn ein Jan Fegter, Wolfgang Schwenke oder Vigindas Petevicius ausfallen würden. Leute, die immer mehr Verantwortung übernehmen sollen und müssen. Interview: Richard Laufner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen