: Ausweisung nach dem Fünfjahresplan
■ Bonn plant zwangsweise Ausreise von 40.000 Vietnamesen / Abkommen mit Hanoi
Frankfurt/Main (taz) – 40.000 illegal in Deutschland lebende Vietnamesen sollen innerhalb der nächsten fünf Jahre in ihr Herkunftsland ausgewiesen werden, wenn nötig auch mit Gewalt. Dies ist, wie die taz in Erfahrung gebracht hat, der zentrale Punkt einer am vergangenen Freitag von den Regierungen Vietnams und Deutschlands geschlossenen Vereinbarung, die die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen beiden Ländern stärken sowie technische und kulturelle Verbindungen intensivieren soll. Auch ein Vietnam-Besuch des Bundeskanzlers Helmut Kohl ist in Vorbereitung. Das Abkommen wurde für die deutsche Seite von den Staatsministern im Auswärtigen Amt und im Kanzleramt, Werner Hoyer (FDP) und Bernd Schmidbauer (CDU), unterzeichnet.
Sollte die Vereinbarung in allen Punkten umgesetzt werden, wäre ein langer und bitterer diplomatischer Streit zwischen Deutschland und Vietnam beigelegt. Seit dem Ende der DDR hatte die Bundesregierung versucht, Vietnam zur Aufnahme von etwa 40.000 illegal in Deutschland lebenden Vietnamesen zu bewegen – hauptsächlich ehemalige DDR-Gastarbeiter, die nach der Vereinigung keine Aufenthaltserlaubnis bekamen, und abgewiesene Asylsuchende.
Nach deutscher Ansicht war die vietnamesische Weigerung, einer Rückführung zuzustimmen, völkerrechtswidrig, während nach vietnamesischer Ansicht eine Rückführung mit finanzieller Entschädigung sowie einem Stufenplan und einer Absage an zwangsweise Repatriierungen verbunden sein müßte. Um den Druck auf Vietnam zu erhöhen, hatte Deutschland die Entwicklungshilfe für Vietnam suspendiert und einen wichtigen Handelsvertrag zwischen Vietnam und der EU blockiert.
Diese harte Taktik scheint nun Deutschland den erhofften Durchbruch gebracht zu haben. Beobachter der deutsch-vietnamesischen Verhandlungen sagten, Bonn habe in früheren Gesprächsrunden mit Hanoi bereits das Prinzip eines Stufenplans und die Notwendigkeit finanzieller Hilfen zugestanden. Die Festlegung einer Fünfjahresfrist und die Möglichkeit, Vietnamesen auch gegen ihren Willen auszuweisen, sei jedoch ein deutscher Erfolg. Das Bundeskabinett will am Mittwoch die Vereinbarung diskutieren.
Nach Ansicht von Tamara Henschel von dem deutsch-vietnamesischen Verein „Reistrommel“ in Berlin werden zwangsweise Repatriierungen „vermutlich notwendig sein“. Gegenüber der taz sagte sie: „Sie werden die Deportationen mit den einfachsten Fällen beginnen, mit den ehemaligen Gastarbeitern, und dann die schwierigeren Asylfälle angehen. Die Vietnamesen leben nahe beieinander, und daher wird es der Polizei ein leichtes sein, sie zusammenzutreiben. Viele Vietnamesen hier sind von der Regierung Vietnams ungeliebt und könnten daher bei einer Rückkehr große Probleme bekommen.“ Hugh Williamson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen