: Politisch korrekter Bodenbelag
■ Garantiert nicht von Kinderhand gefertigt: Erstmals Teppiche mit dem Markenzeichen „Rugmark“ präsentiert
Bonn (taz) – „Die Produkte, die wir kaufen, haben eine Geschichte, und die sollten sie erzählen. „Rugmark“-Teppiche lösen diesen Anspruch ein. Aus diesem Grund unterstütze ich diese wichtige Initiative.“ Das sagte gestern in Bonn Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, bei einer Veranstaltung der „Kampagne gegen Kinderarbeit in der Teppichindustrie“, bei der ihr der erste in Deutschland erhältliche indische Teppich mit dem Markenzeichen Rugmark überreicht wurde.
Das Rugmark-Symbol zeigt, daß der Teppich unter Garantie nicht von Kindern unter 14 Jahren geknüpft worden ist und daß erwachsenen Teppichknüpfern ein Mindestlohn bezahlt wurde. „Die erste Lieferung von Rugmark- Teppichen, die die Karstadt-AG bestellt hat, wird Deutschland Ende Januar erreichen“, sagte Dietrich Kebschull, Direktor des deutsch-indischen Exportförderungsprojekts Igep und Vorsitzender der Rugmark Foundation. „Diese Teppiche werden nur zwei bis drei Prozent teurer sein als vergleichbare Produkte aus dem Orient.“ Antje Vollmers neues Stück würde im Laden demnach um die 300 Mark kosten.
Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf werden weltweit zwischen 100 und 200 Millionen Kinder zur Arbeit gezwungen. Allein in der indischen, pakistanischen und nepalesischen Teppichindustrie schuften fast eine Million Kinder. Mindestens 400.000 Kinder sind es in Indiens Teppich-Gürtel im nördlichen Bundesstaat Uttar Pradesh. Von dort stammen auch die Rugmark-Teppiche. „Die Kinder dort arbeiten zehn bis sechzehn Stunden am Tag, meist unter unerträglichen Bedingungen. Die Arbeit macht sie physisch wie psychisch kaputt, mal ganz abgesehen davon, daß sie nicht zur Schule gehen“, sagte Dietrich Garlichs, Direktor des UNO-Kinderhilfswerks Unicef in Genf.
Die gestrige Veranstaltung bewies den Erfolg einer Kampagne, die von Indien und Deutschland ausging und zehn Jahre Vorlauf benötigte. Anfang der achtziger Jahre riefen einige regierungsunabhängige Organisationen in Südasien westliche Gruppen dazu auf, Kampagnen gegen Kinderarbeit zu initiieren. Das führte zu Beginn der neunziger Jahre in Deutschland zu der Gründung der „Kampagne gegen Kinderarbeit in der Teppichindustrie“ durch die Hilfsorganisationen Brot für die Welt, Misereor und terre des hommes. Koordiniert wurde die Initiative durch die kirchlich organisierte „Werkstatt Ökonomie“ in Heidelberg.
An der Rugmark-Stiftung sind in Indien das „Bündnis gegen Kindersklaverei“, die Organisationen Unicef und Igep sowie die Teppichhersteller beteiligt, die eine Lizenz für das Gütesiegel Rugmark bekommen haben – seit Gründung der Stiftung im Oktober 1994 haben 100 Teppichhersteller die Lizenz beantragt, das Markenzeichen führen zu dürfen. Auch deutsche Teppich-Importeure können Rugmark unterstützen, indem sie ein Prozent des Einkaufspreises in einen Fonds einzahlen, der Kindern eine Ausbildung und, wenn nötig, medizinische Hilfe ermöglicht. Daran beteiligen sich Karstadt, Hertie, Neckermann, der Otto Versand und andere.
Unter den Importeuren gibt es allerdings auch Widerstand. Parallel zu Rugmark wurde eine Initiative namens „Care & Fair“ vorgestellt, deren Mitglieder sich zwar ebenfalls an Ausbildungsprogrammen beteiligen, ihre Lieferanten aber nicht kontrollieren wollen, ob sie tatsächlich auf Kinderarbeit verzichten.
Die Rugmark-Stiftung erhofft sich mindestens eine Million Mark pro Jahr für Projekte in Indien, die von der Unicef organisiert werden. Mit diesem Geld soll Kindern der Schulbesuch ermöglicht werden. Außerdem will man damit Familien unterstützen, etwa mit einem Kilo Reis pro Tag, damit Kinder erst gar nicht gezwungen sind, zum Familieneinkommen beizutragen.
Auch in Nepal will die Rugmark-Stiftung aktiv werden; vierzig Hersteller hoffen dort bereits auf das Gütesiegel. Hugh Williamson
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