Augen zu beim Fernsehn

■ Die TV-Gesundheitswerkstatt von Klaus Haak: Das öffentlich-rechtlichste Fernsehen der Welt hat Zeit, liebt viele Worte und zeigt Tränen lieber nicht

Ich hatte einen Schlaganfall gehabt und traute mich ein Jahr lang nicht mehr aus dem Haus. Heute gehe ich wieder auf den Geburtstag meines Bruders.

Was wie die halbseidene Werbung für ein indonesisches Kräuterheilöl klingt, ist der ungefähre Inhalt eines Briefes an Radio Bremen; Betr.: Gesundheitswerkstatt. Die Gesundheitswerkstatt ist ein wöchentlich über die Nordkette (N3) und andere Dritte Programme ausgesendetes Kursprogramm, das seit zwei Jahren in Bremen hergestellt wird. Diesen und ähnliche Briefe zuhauf erhielt der Redakteur der „Gesundheitswerkstatt“, Klaus Haak, nach der Ausstrahlung des Kurses „Autogenes Training“. Durch den TV-Kurs lernten mehr Deutsche AutogenFernsehenes Training als in allen anderen organisierten Kursen in der Republik sonst. Dieser Tage geht gerade wieder einmal ein Kurs zuende, was am Montag mit einer öffentlichen Sendung aus dem Studio an der Stadthalle begangen wird. Zeit für ein kleines Resümee.

Die Gesundheitswerkstatt ist nicht nur eine Sendung, sondern auch ein Ort. Im fünften Stock von Radio Bremen Fernsehen hat sie sich eingenistet, und siehe da: komische Stühle finden sich dort, Sitzkeile zur Aktivierung der Rückenmuskulatur sowie riesige Gummibälle. Aus rückentechnischen Gründen ist es sinnvoll, Schreibtischarbeit auf riesigen Gummibällen zu verrichten. Die Redaktion von Buten & Binnen ist schon überzeugt: In jedem zweiten Büro werden die großen Themen aus dem kleinen Bremen im Hopsen angegangen. Geundheitswerker Haak hat sogar zwei Haken in einen Türrahmen geschraubt: Mittels eines Geschirrs kann man sich da zwischendurch mal kopfunter aufhängen. Das alles sind Ergebnisse des erfolgreichsten Gesundheitswerkstatt-Kurses, der „Rückenschule“.

Klaus Haak ist, das wird allgemein anerkannt, ein attraktiver Mann in den Fünfzigern, herzlich, gelassen. Er steckt voller Einsichten und Botschaften. Wenn er was macht, macht er das richtig, und so hat er sich in Vorbereitung auf seine Sendungen zum Autogen-Trainer, Partner- und Fußreflexzonenmasseur ausbilden lassen. Wie er sich beim Gespräch hin und her, vor und zurück setzt, verrät die Rückenschule. Seine Hände streichen beständig Verspannungen aus der Tischplatte. Ihm zuzuhören ist angenehm und suggestiv. Nichts deutet darauf hin, daß Haak auf studentenbewegte Zeiten zurückblickt, daß er zehn Jahre lang (1982-1992) als rasender Reporter für Buten & Binnen unterwegs war mit einem Herz für die Arbeiterklasse. Man muß es halt glauben, wenn er sagt: „Ich war ein Hektiker“.

So wie Klaus Haak ist sein Fernsehen. Wer beim Zappen in sein Programm gerät, springt entweder angewidert auf den nächsten Kanal oder ist fasziniert: Fernsehen, wie man es nicht mehr kennt. Fernsehen, das Zeit hat. Fernsehen, das dazu auffordert, die Augen zu schließen. Fernsehen mit vielen Worten. Fernsehen ohne Killefit und Spektakel. Wahr ist, daß mal jemand in der Gesundheitswerkstatt geweint hat, daß man die Bilder aber nicht zeigt. Ja ist denn das die Möglichkeit???

Wahr ist auch, daß die jeweilige Sendung immer in einem Rutsch gedreht wird. Deshalb hat sie – um es freundlich auszudrücken – den Charme des wirklichen Lebens, wie er sich in einem Volkshochschulkurs zeigt. Menschen reden miteinander über Gebrechen und Zipperlein, große und kleine Übel, Alltagserfahrungen mit dem kaputten Rücken, erlebbare Sensationen bei der Fußmassage, komische Stühle werden ausprobiert, und immer wieder Übungen. Zum Mitmachen. Legende ist bereits Haaks Partnermassage, die daheim vor den Bildschirmen regelmäßig die vorgeschriebenen Bahnen verließ, weil – so beschwerten sich Frauen – „immer dasselbe daraus wurde“. Eben darum nahm Haak die Fußreflexzonenmassage ins Programm. Dafür muß man sich nicht ausziehen.

Daß jede Sendung in einem Rutsch gedreht wird, ist weder sportlicher Ehrgeiz noch Konzept. Es gibt kein Geld. Der Sender stellt nur den Haak und die Maschine zur Verfügung. Vergleichsweise Peanuts kommen von einem Verlag, der die Gesundheitswerkstatt in Büchern und auf Video vermarktet, und von der AOK. Darüberhinaus steht die Gesundheitswerkstatt beim mächtigen NDR nicht besonders hoch im Kurs. Sie lief anfangs im Vorabendprogramm montags um 17.15 Uhr und hatte ihre 150.000 bis 200.000 Zuschauer. Heute hat man sie auf 15.30 Uhr gedrückt, das macht nur noch 50.000. An dem Erfolg der Videokassetten „Rückenschule“ ist das große Interesse an solch einem Fernsehen abzulesen; aber „es werden die Privaten sein, die sowas um 20.15 Uhr zeigen“, prophezeit Haak.

Neu, im Kasten und ab 20. Februar zu sehen: die „Beziehungsschule“ in der Gesundheitswerkstatt, schon allein weil „Kränkung“ mit „krank“ zu tun hat. Klaus Haak, natürlich inzwischen ausgebildeter Paartrainer, läßt vier Paare in einer Art Trockenübung Themen besprechen wie: Wer macht die Hausarbeit? Was machen wir mit drei freien Tagen? Sollen wir das Auto abschaffen? Die Gespräche unterliegen festen Regeln, die an die Wand projiziert werden. Sich öffnen, von sich reden, konkret reden, den Partner bestärken usw. Die Moderatoren – seit einiger Zeit in die „Gesundheitswissenschaftlerin“ Annlie Keil mit dabei – wachen über das Gespräch und schlagen zu, wenn sie eine „Beziehungsfalle“ entdecken .

Im Augenblick verbringt Haak manchen Abend in Schmerz-Selbsthilfe-Gruppen. „Schmerz“ ist sein nächstes Thema, wie macht der Fakir das eigentlich? Und noch eine Idee diskutiert Haak gerade mit Hansawellenchef Christian Berg: eine Art „Einschlafradio“. Er könnte sich gaaanz ruhige drei Stunden am Abend denken, mit schöner Musik und wunderbaren „Imaginationen“; er würde den Zuhörern die Bilder geben, mit denen sie völlig entspannt einschlafen könnten. Die Werbeabteilung von Radio Bremen würde Einschlafradios verteilen, die sich nach der Sendung von selbst abstellen. Das wäre Radio, wie man es nicht mehr kennt! Burkhard Straßmann

„Wohin mit den Schmerzen“ – Livesendung zum Abschluß der Rückenschule aus dem Studio an der Stadthalle, heute, Montag, um 15.30 Uhr auf N3.