: Ministerien spielen Reise nach Jerusalem
■ Auswärtiges Amt vertreibt Wirtschafts- und Verkehrsministerium / Staatsratsgebäude soll erhalten bleiben
Seit Klaus Töpfer (CDU) als Bundesbauminister den Regierungsumzug von Bonn nach Berlin organisiert, dreht sich das Standortkarussell der Ministerien erneut. Die gestern bekanntgewordene Entscheidung von Außenminister Klaus Kinkel, den Amtssitz im ehemaligen Zentralkomitee der SED am Werderschen Markt zu nehmen, zwingt die Ministerien für Verkehr und Wirtschaft zur Standortsuche. Der Verzicht Kinkels auf ein neues Außenamt geht auf Initiative Töpfers zurück. Bislang war geplant, das Außenministerium auf dem Areal des ehemaligen Staatsratsgebäudes der DDR zu errichten. Das denkmalgeschützte Gebäude mit seinem barocken Schloßportal sollte dafür abgerissen werden. Nach dem Beschluß des Außenministers „kann das Staatsratsgebäude erhalten bleiben“, so Jörg Ihlau, Sprecher im Bundesbauministerium.
Das Außenministerium vertreibt nun das Bundeswirtschaftsministerium, das am Werderschen Markt residieren sollte. Der Wirtschaftsminister könne deshalb in das Gebäude des früheren DDR- Regierungskrankenhauses an der Scharnhorststraße übersiedeln, verfügt er doch dort bereits über einen Außenposten, hieß es gestern im Hauptausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses. Die bisherige Übergangslösung böte sich als endgültige Adresse für die Wirtschaftsbehörde förmlich an. Auch der Sprecher des Bundesbauministeriums wollte den möglichen Wechsel von der Spreeinsel an die Scharnhorststraße nicht dementieren.
In diesem Fall droht dem Bundesverkehrsminister, der sich in der Scharnhorststraße niederlassen wollte, erst einmal Obdachlosigkeit. Die Autobahnbauer wären heimatlos. Ein Hocker bei der Reise nach Berlin fehlt für sie bislang. „Für den Verkehr müssen wir einen neuen Platz suchen“, erklärte Ihlau. Wolfgang Branoner, Staatssekretär beim Senator für Stadtentwicklung, will dagegen schon einen neuen und kostengünstigen Ort für die Verkehrsplaner gefunden haben: Die gegenwärtige Übergangsbleibe von Verkehrsminister Matthias Wissmann in der Breiten Straße könne auch als Dauerbleibe genutzt werden. „Da ist genug Platz drin“, so Branoner.
Konsequenzen haben Kinkels neue Umzugspläne für die gesamte Planung in der zentralen Berliner Mitte. Der städtebauliche Entwurf des Berliner Architekten Bernd Niebuhr, der den Bauwettbewerb über die Zukunft der Spreeinsel im Sommer 1994 gewonnen hatte, sieht vor, das Staatsratsgebäude abzureißen und den Verlauf der alten Brüderstraße wiederherzustellen. Mit dem Erhalt des Staatsratsgebäudes bricht nun das Kernstück des vielfach ungeliebten Niebuhr- Entwurfs aus dem Konzept heraus.
In Berlin macht man sich deshalb Gedanken, wie es weitergehen könnte: Im Hauptausschuß freute sich der CDU-Verkehrsexperte Rainer B. Giesel, daß die Planungen wieder offen seien. Peter Kroll, Berlins Hauptstadtbeauftragter beim Bund, schlug vor, die vormals im Reichstag untergebrachte Ausstellung „Fragen an die deutsche Geschichte“ im Staatsrat wieder aufzubauen. Lediglich für Branoner „ist der Abriß noch nicht vom Tisch“. Die Option, Planierraupen ins frühere Allerheiligste der DDR zu schicken, bestehe noch zehn bis fünfzehn Jahre. Hannes Koch/rola
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