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Wenn Sony baut, ändert sich das Klima

■ Die Senatsmitarbeiter Thomas Schneider und Franz Ellermann sammeln Daten über die Berliner Umwelt und hoffen, daß Bauingenieure und Investoren sie berücksichtigen / "Umweltatlas ist ein ehrliches...

taz: Gerade ist der zweite Band des Berliner Umweltatlas erschienen. Können die BerlinerInnen dem Werk entnehmen, ob hinter ihrem Häuserblock altes Gift im Boden liegt?

Thomas Schneider: Im Prinzip ja. Soweit uns die Daten zur Verfügung stehen und wir sie in Karten, Tabellen und Texten darstellen können. Der Umweltatlas basiert auf 90 Prozent der uns zugänglichen Angaben.

Auch wenn der Atlas keine Belastung mit Blei ausweist, liegt möglicherweise welches in meinem Garten verborgen?

Es bleibt ein unbekannter Rest, doch in den meisten Fällen geben wir einen vollständigen Überblick.

Einige Karten sind veraltet. Die Daten stammen aus dem Jahr 1989.

Das gilt nur für die Emissionen von Luftschadstoffen wie Schwefeldioxid und Stickoxid, die aus den Schornsteinen der Häuser und Fabriken oder den Autoauspuffen entweichen. Für Ostberliner Fabriken fehlen uns teilweise neuere Werte, weil sie keine Informationen lieferten und inzwischen abgewickelt wurden. Bei den Immissionen hingegen, bei dem also, was die Bevölkerung einatmet, reichen die Daten immerhin bis 1991 oder 1993.

Der Autoverkehr hat seit 1989 rapide zugenommen. Deshalb ist der Ausstoß von Stickoxiden ganz erheblich. Gerade in diesem wichtigen Bereich lassen ihre Karten die Aktualität vermissen.

Franz Ellermann: Die Emissionswerte sind immer nur ein Teil der Aussage, weil sie den gesamten Jahresausstoß für Flächen von einem Quadratkilometer angeben. Unsere Immissionstabellen aber zeigen die Höchstwerte für einzelne, besonders belastete Straßen. Ungünstige Situationen haben wir nicht verschwiegen. Das ist ein ehrlicher Atlas, kein politisches Auftragswerk.

Der Umweltatlas zeigt Schneisen, durch die frische Kaltluft in die Stadt strömt. Haben Ihre Daten verhindert, daß dort Häuser gebaut wurden?

Das ist die Frage nach der Nullvariante. Die Berücksichtigung von klimatischen Funktionen muß nicht automatisch heißen, daß es keine Bebauung geben darf. Meist kommt es zu einem Kompromiß zwischen den Interessen der Landschaftsplanung, des Immissionsschutzes, der Stadtplanung und der Investoren.

Man baut weiter, und die Luft wird dicker.

Architekten können Gebäude so planen, daß sie den Luftaustausch nicht verhindern.

Verbessert sich das Stadtklima in den nächsten Jahren, oder wird es schlechter?

Schneider: Es wird mehr Belastungen geben, weil Berlin stark wächst. 400.000 zusätzliche Wohnungen führen zur Erwärmung der Stadt. Es sei denn, ich reiße anderswo Gebäude ab – zum Ausgleich gewissermaßen.

Wenn Sony und Daimler am Potsdamer Platz bauen, steigen am Alexanderplatz die Temperaturen?

Ellermann: Diese Fragen müssen Sie vor allem Planern und Politikern stellen. Die entscheiden. Wir beschreiben nur den Ist-Zustand und bewerten ihn.

Aufgrund Ihrer Daten können Sie auch die zukünftige Wirkung von Baumaßnahmen bewerten.

Schneider: Man kann sagen, daß die Baumasse am Potsdamer Platz auf alle Fälle klimatische Auswirkung hat. Es wird eine größere Erwärmung geben, denn die Gebäude behindern die Kaltluftzufuhr aus dem Tiergarten.

Ellermann: Das muß nicht notwendigerweise zu unverträglichen Auswirkungen führen. Auf der ganzen Strecke bis zum Alex kann ja auch noch eine Menge passieren. Wenn dort stark begrünt würde, könnte das einen gewissen Ausgleich für den Potsdamer Platz schaffen. Diese nicht unwichtigen Entscheidungsprozesse unterstützen wir mit unseren ökologischen Bewertungen.

Gute Umweltinformation allein macht aber noch keine gute Politik.

Sie sind die Voraussetzung dafür, aber das ist ein arbeitsteiliger Prozeß. Unserer Arbeitsgruppe „Ökologische Planungsgrundlagen“ stellt nicht mehr als 1,2 Prozent des Personals der Umweltverwaltung. Wir erarbeiten das Material für die Entscheidung, die Planung machen andere. Der Atlas erschwert die Vernachlässigung der Umwelt. Interview: Hannes Koch

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