: Polen zwischen zwei Polen
■ Jan Granat, Leiter der polnischen Konsularabteilung in Berlin, zur Frage der doppelten Staatsangehörigekeit für PolInnen
taz: 27.500 PolInnen leben offiziell in Berlin, die meisten haben eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltsberechtigung. Viel lieber hätten fast alle die doppelte Staatsbürgerschaft. Wer kommt in den Genuß dieses Privilegs?
Jan Granat: Kinder aus deutsch- polnischen Familien und Spätaussiedler, die ihren polnischen Paß mitgenommen haben.
Die Bundesrepublik hat das Europaratsabkommen zur „Vermeidung doppelter Staatsbürgerschaften“ unterzeichnet, und auch das polnische Grundgesetz läßt doppelte Staatsangehörigkeit nicht zu. Warum nicht?
Polen toleriert doppelte Staatsbürgerschaft, mehr nicht. Wenn ein Pole die deutsche Staatsbürgerschaft bekommt, wird er von der polnischen sofort befreit.
Aber das wollen doch die Leute gar nicht. Denn ohne polnische Staatsbürgerschaft dürfen sie in Polen beispielsweise keine Immobilien besitzen.
Auch bei uns laufen diese Diskussionen bereits seit 1989. Aber vergessen Sie nicht, daß das für unser Land ein großes Problem würde. Es gibt Millionen Polen in den ehemaligen GUS-Staaten, die dann auch ein Recht darauf hätten.
Und dann alle nach Polen kommen würden?
Das wäre keine einfache Sache. Aber selbst wenn wir zulassen würden, daß jemand eine doppelte Staatsbürgerschaft bekommt, so bleiben andere Länder immer noch bei einer. Es ist nicht nur eine Bedienung unserer Vorschriften, sondern auch der hiesigen.
Die Deutschstämmigen, die in Polen leben, haben keine Schwierigkeiten, zusätzlich einen deutschen Paß zu bekommen. 80.000 Oberschlesier haben bereits zwei Staatsangehörigkeiten – gegen den Willen der polnischen Regierung. 700.000 könnten sie noch bekommen. Führt diese Sonderregelung zu Unmut bei der polnischen Bevölkerung?
Das hat in Polen keine praktische Bedeutung. Für die dortigen Behörden sind sie polnische Staatsbürger. Wenn man hört, daß viele Schlesier gleichzeitig deutsche Pässe haben, so ist das eine Sache der deutschen Behörden.
Trotzdem kann es doch das Zusammenleben beeinträchtigen.
Ich glaube nicht, daß das einen starken Einfluß hat. In der Praxis spielen andere Dinge eine Rolle. Kulturelle Eigenheiten, wie man den Nachbarn sieht und schätzt. Natürlich hört man von Zeit zu Zeit von Unzufriedenheiten, aber die haben nicht mit der doppelten Staatsbürgerschaft zu tun.
Warum wollen Polen die doppelte Staatsangehörigkeit haben?
Nicht nur Polen, sondern andere Ausländergruppen auch. Vor allem Türken sind in dieser Frage stark engagiert.
Aber die PolInnen sind die Zweitstärksten.
Einerseits möchten sie nicht auf die polnische Staatsbürgerschaft verzichten, andererseits haben sie durch die deutsche den Zugang zu sozialen Leistungen, zur Rente, zum Arbeitsmarkt. Hinzu kommt die Stellung in der Europäischen Union mit allen Freizügigkeiten in den anderen Ländern Europas. Denn noch gehört Polen nicht zur EU. Es geht um die Treue zu und die traditionelle Bindung an Polen und gleichzeitig darum, bessere Möglichkeiten in Deutschland zu haben als andere Ausländer. Interview: Bascha Mika
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