Sanssouci: Vorschlag
■ Nach dem Acid-Test garantiert Sci-fi-durchgeknallt: Helios Creed – heute abend im Huxley's Junior
Als Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre die elektronischen Klangerzeuger so halbwegs auch von Menschen bedient werden konnten, die nicht mindestens 16 Semester Informatik studiert hatten, und man sich keinen Bruch mehr hob, wenn man sie auf eine Bühne stellen wollte, trat der Synthesizer heraus aus der E-Musik und suchte seinen Platz im Pop.
Diese Synthesizer (das klingt heutzutage schon fast wie „Spinett“) waren nun zwar einigermaßen erschwinglich, aber halt auch klein und in ihren klanglichen Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Was niemanden daran hinderte, mit viel Phantasie die obskursten Laute zu produzieren. Bevor diese Sounds mit Human League, Depeche Mode, Soft Cell oder Heaven 17 den Middle-of-the-Road-Pop abgeben konnten, mußte der Underground – wie so oft – erst die Drecksarbeit machen. Die Errungenschaften der vornehmlich deutschen Pionierarbeit von Kraftwerk oder Tangerine Dream aus den Siebzigern übernahmen meist Techniktüftler, die sich einen Sänger oder eine Sängerin hielten.
So war das bei Suicide, auf deren innovative Leistung sich heute noch der Ruhm des schwabbeligen Alan Vega gründet, und so war das auch mit Vince Clarke, der erst die damals noch rumdümpelnden Depeche Mode verlassen mußte, um mit Yazoo und dann Erasure die Leberwurst zu verdienen. So ähnlich verhielt es sich auch mit Chrome, die es allerdings nicht mal recht zur Butter aufs Brot schafften. Nach Dutzenden von Platten scheint Mastermind Damon Edge endgültig in der Versenkung verschwunden, die er schon immer liebte und forcierte, indem er penetrant auf Unannehmlichkeiten wie Live-Auftritte und Interviews verzichtete.
Immerhin: Sein früherer Mitstreiter Helios Creed läßt sich nicht unterkriegen, produziert Platte auf Platte mit seinem wild delirierenden Space-Sound und arbeitet so nebenbei auch noch die eigenen Einflüsse aus allernächster Nähe auf: Zuletzt half er bei Nik Turner aus, der sich wie alle anderen, die mal bei den Space-Pionieren Hawkwind waren, um deren Erbe streitet. Daß das mit dem Erfolg – in diesem Leben jedenfalls – nichts mehr wird, scheint Helios Creed aber nicht zu stören, so fest hält er an seinem spielerischen Konzept, das keiner musikalischen Tabus kennt.
Und je weiter die Technik fortschreitet, eröffnen sich für einen wie Helios Creed natürlich immer neue Möglichkeiten. Gesampelt wird jetzt halt alles, von der quietschenden Tür bis zur Bratzgitarre, Hauptsache, es knallt. Rhythmisch haben wir es zwar eher mit Rock zu tun als mit Dancefloor, aber so was wie Songaufbau sucht man meist vergebens. Kein Wunder, wenn man weiß, wie die Sci-fi-Durchgeknalltheiten von Helios Creed entstehen: „Nachdem wir eine Platte fertig haben, höre ich sie erst jedesmal auf Acid an, um sicher zu gehen, daß sie auch gut klingt. Das würde ich den Acid-Test nennen. Ich mach' das immer noch.“ Glauben wir aufs Wort. Thomas Winkler
Helios Creed: heute um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln
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