: Rechtsfreie Rinder
■ Seehofer will Bundesrat aushebeln
Berlin (taz) – Neue Aufregung um die Rinderseuche BSE. Der Bundesrat stemmte sich am Freitag gegen eine EU-Verordnung und lehnte sie mit den Stimmen der SPD-Länder ab. Die Verordnung sieht vor, daß britische Rinder künftig in die EU-Länder und damit auch nach Deutschland exportiert werden dürfen, wenn sie im Jahr 1992 oder später auf die Welt kamen. Hintergrund: Bei den Tieren dieser Jahrgänge ist bislang noch kein Fall von Rinderwahnsinn aufgetreten.
Im Bundesrat wehrten sich vor allem die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini (SPD) und der schleswig-holsteinische Bundesratsminister Gerd Walter (SPD) gegen die Neuregelung. Die Seuche sei noch immer nicht hinreichend erforscht, deshalb müßten strengste Schutzmaßnahmen gelten, sagte Walter. Alles andere sei bodenloser Leichtsinn. Die Länderkammer sprach sich mehrheitlich für ein totales Importverbot aus.
Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hält den Bundesratsbeschluß für eine Katastrophe. Durch die Ablehnung der Verordnung könne jetzt ein „rechtsfreier Raum entstehen“, warnte er. Tatsächlich ist die Rechtslage unklar. Da EU-Recht übergeordnet ist, hat der Bundesratsbeschluß keine Rechtskraft. Dazu müßte er, wie die Agenturen berichten, bei der EU zur Prüfung hinterlegt werden, wo er aber erst nach einer Frist von einem Jahr in Kraft treten kann.
Seehofer will jetzt mit einer Notverordnung das EU-Recht durchsetzen und den Bundesratsbeschluß außer Kraft setzen.
Bei dem Streit wird weitgehend ignoriert, daß auch heute bereits Rindfleisch aus Großbritannien eingeführt werden darf. Die bisherige Regelung sieht vor, daß der Import unter zwei Bedingungen zulässig ist:
– wenn das Fleisch aus Beständen stammt, in denen seit sechs Jahren kein BSE aufgetreten ist
– wenn es entbeint und von allen sichtbaren Nerven-, Fett-, Sehnen- Teilen befreit ist.
Diese im vergangenen Jahr beschlossene Regelung sollte im Februar 1995 von der Neuregelung (siehe oben) abgelöst werden, die für junge Rinder den Import erlaubt. Restrisiken bestehen, wie Veterinäre des früheren Bundesgesundheitsamts der taz erklärten, für beide Verfahren. Manfred Kriener
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